einäugig: Wowereits Neujahrswünsche
Klaus Wowereit freut sich in seiner Neujahrsansprache über mehr Unternehmen in Berlin, die wachsende Schere zwischen Arm und Reich erwähnt er nicht.
Zum Geschäft eines Regierenden gehört der Optimismus ebenso wie das Klopfen auf die eigene Schulter. Erst recht wenn der Regierende Klaus Wowereit heißt und das Jahr 2008 vor der Tür steht. Schließlich hat Berlin eine Menge geschafft - und noch eine Menge vor.
Also freuen wir uns mit Wowereit über die wachsende Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen, über die attraktive Forschungslandschaft und die Kulturszene, die Schließung von Tempelhof und zur Not auch darüber, dass die Bild-Macher das Schmuddelwetter in Hamburg verlassen und an die sonnenverwöhnte Spree kommen.
Was an Wowereits Neujahrswünschen staunen lässt, ist nicht so sehr sein Optimismus, als vielmehr das, was er weglässt. Zum Klima der Kreativität und der Toleranz, mit dem Berlin sein Image spätestens seit der Fußball-WM kräftig aufpoliert hat, gehören nicht nur Kreativindustrie, Kultur- und Forschungslandschaft. Auch der soziale Zusammenhalt - die soziale Stadt - gehört dazu.
Gerade erst hat eine Untersuchung des Stadtsoziologen Hartmut Häußermann ergeben, dass sich Berlin schneller als befürchtet sozial und räumlich auseinander entwickelt. Das ist alles andere als eine gute Nachricht. Schließlich kommen die Spitzenkräfte, die Wowereit im Visier hat, gerne auch mit Familie nach Berlin, und so mancher denkt dabei nicht nur an Opernhäuser, sondern auch an Rütlischule.
Deshalb auch ein Weihnachtswunsch zurück: Besser mit beiden Augen durch 2008 als auf einem Auge erfolgsbesoffen und dem andern blind.
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