ein schnitzel für die fische von RALF SOTSCHECK:
Es gibt Zeichen, die man nicht ignorieren sollte. Früher verkehrte auf der Irischen See zwischen Irland und England kein Fährschiff, das ich noch nicht vollgekotzt hatte. Da beschloss ich, fortan zu fliegen, was nur bedingt magenfreundlicher ist, aber die Leidenszeit verkürzt. Ich hätte eigentlich nie auf eine Insel ziehen dürfen.
Nun erklärten mir Freunde, dass die schwankenden Kähne der Vergangenheit angehörten, die neuen Modelle hätten Superstabilisatoren, die eine Schiffspassage wie eine Landpartie im Rolls Royce erscheinen ließen. Ich glaubte ihnen. Und buchte eine Überfahrt von Dublin nach Liverpool in einer so genannten „Seacat“, die in dreieinhalb Stunden über die Irische See huscht. Leider vergaß man mir bei der Buchung mitzuteilen, dass die Seekatze nicht vom Haupthafen, sondern von einem Nebendock ablegt. Als ich eine Viertelstunde vor Abfahrt im Büro der Reederei IOM Steampacket auftauchte, schüttelte der junge Mann bedauernd den Kopf: „Nichts zu machen, bis ich die Bordkarte ausgestellt habe, ist der Kahn längst weg.“ Was macht er bloß in der Hochsaison, wenn hunderte von Menschen fahren wollen? Die müssen sich wohl 24 Stunden lang um eine Bordkarte bemühen. „Sie können ja mit der Nachtfähre, dem ‚Brave Merchant‘, fahren, die braucht zehn Stunden“, höhnte er.
Ich hätte den Wink des Schicksals ernst nehmen und Booten für immer entsagen sollen. Stattdessen sagte ich trotzig: Genau das werde ich machen, auf seine Firma sei ich nicht angewiesen. War ich aber doch. Am Abend saß der junge Mann am Merchant-Schalter im Haupthafen. Die „Seekatze“ und der „Mutige Handelsreisende“ gehörten derselben Reederei. „Na, so sieht man sich wieder“, höhnte er abermals.
Das Schiff entpuppte sich als langweiliger Kahn, zum Zeitvertreib der Reisenden gab es zwei Glücksspielautomaten. „Hier spricht der Kapitän“, schnarrte es aus dem Lautsprecher. „Das Wetter ist nicht übel, es sollte eine ruhige Überfahrt werden.“ Manchen Leuten hört man eine Lüge selbst über ein miserables Lautsprechersystem an. Im Fährpreis war ein Essen einbegriffen, paniertes Schnitzel aus Pressfleisch mit Sättigungsbeilage. Die Mahlzeit befand sich noch in der Speiseröhre, als der Dampfer zu wackeln begann. Superstabilisatoren? Ha. Ich frage mich, ob die Fische etwas mit dem Pressschnitzel anfangen konnten. Um fünf Uhr gab der Kapitän stolz bekannt, dass man bereits um fünf Uhr anlegen werde, er habe durch seine schnittige Fahrweise eine ganze Stunde herausgeholt. Die Freude darüber währte nur kurz. Um diese Zeit ist in der Hafengegend kein Bus und kein Taxi unterwegs. Das Hotel war eine Stunde zu Fuß entfernt. Auf halbem Weg wurde ich von der Polizei aufgegriffen. Was ich um diese Zeit auf der Straße mache, und was wohl in meinem Koffer sei? Dynamit, um ein paar Schiffe in die Luft zu sprengen, wollte ich gerade sagen, fragte aber lieber, ob sie zufällig in die Stadt fahren würden. „Nichts zu machen, Kumpel“, antworteten die Beamten. Polizisten-Kumpel? Das gab mir den Rest. Nie wieder aufs Schiff. Eher schwimme ich.
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