editorial: Heimat, warum?
Heimat macht wütend, wird verhandelt oder ist sicherer Hafen. Das zeigen auch die Bücher dieser literataz
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ist der Ansicht, dass die Israelis die Palästinenser so behandeln wie die Nazis die Juden behandelt haben. Zu diesem Ergebnis kommen verschiedene Studien. Aber woher kommen solch falsche Ansichten? Ist das nur Unwissen? Oder eine bewusst böswillige Gleichsetzung? Und warum eigentlich differenzieren sogenannte Israelkritiker meist nicht zwischen Juden und Israelis?
Eine Sache ist klar: Nur mit Aufklärung über falsche Vorurteile ist es oft nicht getan. Hinzu kommt, dass im Akademie- und Kulturbetrieb ein antizionistischer Zeitgeist zu herrschen sein, der überall Rassismus, aber nirgends Antisemitismus problematisiert. Die Debatten der letzten Jahre von Mbembe bis documenta haben das gezeigt. Was also tun? Dekrete und Verbote helfen nicht unbedingt weiter. Also doch auf die besseren Argumente vertrauen? Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank vertraut auf diese. Mit ihm und Anna Staroselski von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft haben wir über Antizionismus und Antisemitismus im Land der Täter gesprochen: Zwei jüdische Perspektiven, die schon allein wegen ihrer Heterogenität jede verschwörungstheoretische Unterstellung von den Juden Lügen strafen (S. 6 und 7).
Das zweite große Thema in dieser literataz ist das der Heimat. Es zieht sich, mal mehr, mal weniger direkt, durch eine ganze Reihe der Besprechungen. Bei Andreas Maiers Roman „Die Heimat“ taucht es gleich im Titel auf. Der Schriftsteller geht in literarisch beeindruckender Weise den Veränderungen nach, die sich in den vergangenen fünfzig Jahren in Deutschland ergeben haben (S. 3). In einer Sammelbesprechung schauen wir uns an, warum Österreich als Heimatland gerade Autorinnen offensichtlich sehr wütend macht. Eine ganze Reihe von Romanen und Sachbüchern aus dem diesjährigen Gastland der Leipziger Buchmesse drehen sich jedenfalls um das Thema Wut (S. 5).
Zentral auf der Messe wird auch der russische Angriffskrieg sein. Viele Veranstaltungen versuchen über ein Jahr nach Kriegsbeginn, angesichts des weiterwirkenden Schocks über den Krieg wenigstens Hintergrundwissen und Analysen zu liefern. Schließlich müssen die Ukrainerinnen und Ukrainer ihre Heimat und sich selbst gegen einen Aggressor verteidigen. Gerd Koenen denkt in seinem neuen Buch im Widerschein dieses Krieges über diesen Aggressor Russland nach (S. 9). Und mit dem Historiker Timothy Garton Ash kann man sich schließlich noch fragen, ob Europa eine Heimat ist oder sein kann (S. 11).
Tania Martini, Dirk Knipphals
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