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Ein Imam, der zum Dschihad aufruft: „Ceddo“ ist der wichtigste Film des senegalesischen Regisseurs Ousmane Sembène. Jetzt gibt es ihn restauriert in einer Box

In Ousmane Sembènes Film „Ceddo“ geht ein Imam gegen die Traditionalisten im Ort vor Foto: trigon-film

VonEkkehard Knörer

Unter wechselnden Sonnenschirmen sitzt der Imam mit seiner fingerschnipsenden Claque und hetzt gegen all jene, die sich der Konversion zum Islam störrisch verweigern. Die Verweigerer sind die Ceddo des Titels, was auf Wolof schlicht „Außenseiter“ bezeichnet. Sie sind die Traditionalisten, die auf der Beibehaltung der animistischen Traditionen beharren. Auch gegen den König, der unter dem Einfluss des islamischen, ja islamistischen Anführers steht. Einmal heißt es über diesen Anführer ohne Weisheit: „Er ist wie eine Palme, deren Schatten nicht einmal ihre Wurzeln erreicht.“

Zwar spielt Ousmane Sembènes „Ceddo“, der wohl wichtigste Film dieses vielleicht bedeutendsten afrikanischen Regisseurs, in einer bewusst nicht genau markierten Zeit vor der Kolonialisierung Senegals. In einem Dorf, das quasi das Land ist: Hier wird debattiert, gekämpft, intrigiert, Geschichte gemacht.

Weiße Sklavenhalter sind vor Ort, weiße Priester auch, ihnen aber verweigert Sembène das Wort. Der zentrale Konflikt ist der zwischen dem Islam und den Ceddo. Letztere haben die Prinzessin entführt. Sie spielt am Ende eine entscheidende Rolle, typisch Sembène, der verlässlich mit Männern abrechnet, die ihre Rechnungen ohne die Frauen zu machen versuchen.

Ein Historienfilm im engeren Sinn ist das Werk aus dem Jahr 1977 nicht. Schon die Kostüme sind einigermaßen fantastisch. Die wechselnden Sonnenschirme des Imams mit ihren Fransen und Plastikstäben sind definitiv Produkte der siebziger Jahre, konstanter Pfahl im Fleisch der historischen Akkuratesse. Ohnehin springt der Film mittendrin auch einmal unkommentiert in die Gegenwart: Männer in Hemden und mit Krawatten. Dann springt er wieder zurück. Was man sieht, ist mindestens so allegorisch wie historisch zu nehmen.

Der Mix ist typisch Sembène: langes theatrales Palaver in divergierenden Darstellungsstilen, mit plötzlichen Close-ups in Bewegung versetzt, ein Zug ins Didaktische plus Naturalismus, das aber beides fast unvermerkt in Expressionistisch-Mythisches übergeht und sich gegenseitig auf so irritierende wie faszinierende Weise unterbricht. Dazu hier noch die hinreißenden Verfremdungen durch den funkigen, elektrofreudigen Jazz des kamerunischen Musikers Manu Dibango oder das Thema Sklaverei noch einmal ganz anders konnotierende Gospelmusik.

In Senegal war der Film teils verboten

„Ceddo“ ist an Kontexten und Anspielungen reich. Die Stoßrichtungen gegen den Kolonialismus und vor allem den islamistischen Einfluss sind aber klar. Sembène war selbst muslimisch geprägt, zeichnet den Imam, der bald zum Dschihad gegen die Traditionalisten aufruft, aber als finster fanatische Figur, die alle Freiheit zur Wahl der Lebensweise zerstört. Die Bewohner werden geschoren, traditionelle bildliche Darstellungen werden verboten. Ousmane Sembène, der in seinen Filmen gerne in Cameos auftrat, ist selbst als einer der Traditionalisten zu sehen.

In Senegal war der Film teils verboten, jedenfalls von der Zensur stark bedrängt und kam nur stark gekürzt zur Aufführung. Auch mit anderen Filmen hat sich der 2007 verstorbene Sembène unter den Mächtigen seiner Heimat keine Freunde gemacht, zuletzt mit „Mooladé“ (2004), in dem er die weibliche Genitalverstümmelung anprangert. Schon gar nicht mit „Xala“ (1975, nach einem eigenen Roman), einer Satire, die die Korruption der postkolonialen afrikanischen Elite unmissverständlich kritisiert: Gleich zu Beginn kommen buchstäblich Koffer voll Geld auf den Tisch.

„Xala“ ist ebenso wie „Ceddo“ und „Emitaï“ (1971) auf einer DVD-Box mit restaurierten Fassungen der in den siebziger Jahren entstandenen Filme Sembènes enthalten. Sie haben an Aktualität nicht verloren. Was entschieden für sie, wenn auch leider gegen die Gegenwart spricht.

Ekkehard Knörer

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