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dvdeskMachen was her: die Entdeckungen aus Südkorea

Südkorea ist, anders als Deutschland zum Beispiel, der Musterfall einer national wie international erfolgreichen Kinokultur. Und zwar seit den späten neunziger Jahren, zunächst noch nicht nur von staatlicher Förderung, sondern auch einer staatlichen Quote stark unterstützt. Per Gesetz mussten an 146 Tagen im Jahr heimische Filme pro Leinwand laufen. 2006 wurde diese Quote halbiert, spielt aber ohnehin keine besonders wichtige Rolle mehr, da das koreanische Kino längst ein Selbstläufer ist, der sein eigenes Starsystem hat und Hit für Hit produziert. Ohnehin ist Südkorea eine kinoverrückte Nation, bei 50 ­Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen hatte es im Jahr 2019 Besucherzahlen von 226 Millionen. (In Deutschland dagegen waren es in diesem letzten Vor-Corona-Jahr genau halb so viele: 113 Millionen.)

Filme und Serien, Kino und Streaming stehen dabei eher in einem gegenseitigen Steigerungs- als Konkurrenzverhältnis. Netflix ist voll mit weltweit extrem viel gesehenen K-Dramen, Action- und anderen Serien, „Squid Game“ war da nur die Spitze des Eisbergs. Und zwar sind auch die Hollywood-Superhelden in Südkorea wie überall ausgesprochen erfolgreich, daneben jedoch gibt es eine genuin koreanische Comic-Kultur („Manhwa“). Die Webtoons genannten Online-Comics werden nicht nur immer und überall auf Laptops und Smart­phones rezipiert, sie haben sich ihrerseits in andere Medien, vor allem den Superheldenfilm, ausgeweitet. Ganz zu schweigen vom weltweiten Phänomen K-Pop, das die Charts auch im Westen beherrscht.

Neben vielen Hits, die nur im Land selbst die Kinos füllen, gibt es die nicht nur auf den Festivals, sondern sehr wohl auch an den Kassen des eigenen Landes erfolgreichen Autoren-Regisseure wie Park Chan-wook („Oldboy“), Lee Chang-dong („Poetry“), Kim Jee-woon („The Good, the Bad, the Weird“) oder Bong Joon-ho, dessen „Parasite“ die Oscars abgeräumt hat und in seiner sehr eigenen, aber auch sehr koreanischen Mischung aus Komik, Gewalt und Gesellschaftskritik geradezu stilbildend wirkt. Ganz am Rand existiert dann sogar ein radikaler Autorenfilmer wie Hong Sang-soo, dessen langsames und subtiles Kino in vielem das genaue Gegenteil der typischen koreanischen Filmproduktion ist. Woran es dagegen vollkommen fehlt, sind weithin sichtbar Regisseurinnen – Ausdruck einer nach wie vor ausgesprochen patriarchalen Kultur.

Auch am deutschen DVD-Markt bildet sich diese Erfolgslandschaft ab: Fast jede Woche kommen Filme aus Südkorea heraus, ganz neue, aber auch ältere, Ausgrabungen scheinen finanziell lohnend. Diese Woche zum Beispiel „Missing You – Mein ist die Rache“, immerhin schon von 2016. Es ist das Debüt von Mo Hong-jin, der auch das Drehbuch verfasst hat. Genre: Serienkiller- und Polizeifilm. Ein Polizist und ein Mörder sind in gegenseitigem Hass aneinandergekettet, als originelles Moment tritt die Tochter eines Ermordeten ins Bild, die nicht so harmlos ist, wie sie anfangs noch scheint.

Inszeniert ist das im für das koreanische Kino bezeichnenden „Soll was hermachen“-Stil, schnelle Schnitte, ständig wechselnde Perspektiven, viel Blut, einige Action, nicht wenige emotionale Extremreaktionen. Gewaltdarstellung und Sentiment stehen nicht im Widerspruch zueinander. Zur koreanischen Wirklichkeit oder zu psychologischer Plausibilität hat das Geschehen deutlich weniger Bezug als zum Genre und seinen Konventionen.

Kurzum: „Missing You“ ist, wie die meisten dieser DVD-Neuerscheinungen, kein schlechter, aber ein eher typischer als herausragender koreanischer Film. Teil des guten Mittelfelds, das eine erfolgreiche und funktionierende Kultur eben auch braucht.

Ekkehard Knörer

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