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dvdeskKein Rang, sondern eine Dienststellung

Die Kaserne des Informations­technikbataillons 381 der Bundeswehr im brandenburgischen Storkow liegt im Nebel. In Reih und Glied stehen in den ersten, sehr atmosphärischen Bildern des Films (Kamerafrau unter anderem: Elfi Mikesch), Soldatinnen und Soldaten. Hier, in Storkow, wird Oberstleutnant Anastasia Biefang zur Kommandeurin berufen. Die Bezeichnung der Dienstränge wird nicht gegendert, da ist und bleibt die Bundeswehr, wie die Diskussion vor Kurzem gezeigt hat, vorerst konservativ. Jedoch ist Anastasia Biefang die erste und bislang einzige Bundeswehr-Trans*-Kommandeurin.

Kommandeur*in ist kein Rang, sondern eine Dienststellung, da geht das mit dem Gendern. Auf dem Gelände werden Schilder überklebt, es unterzeichnet: der Kommandeur / die Kommandeurin.

Zwei Jahre lang folgt Thomas Ladenburg in seinem Dokumentarfilm „Ich bin Anastasia“ seiner Protagonistin, die out ist und proud ist, im Berufsleben, aber er folgt ihr auch im Privaten. Es sind wichtige Jahre, der Aufstieg zur Kommandeurin zum einen; die operative Geschlechtsanpassung zum anderen. Die Kamera ist als unaufdringliche Beobachterin nicht nur in der Kaserne, sondern auch im Krankenhaus kurz vor der OP mit dabei. Sie ist bei der Party zugegen, für die Biefang und seine Freundin Samanta die Wohnungstür zur Vagina umgestalten; sie ist bei der Schwanz-ab-Feier und bei der Party für die neuen Brüste dabei. Und auch die Hochzeit von Anastasia und Samanta feiern wir mit.

Es sind wichtige und es sind, nach allem, was man sieht, glückliche Jahre. Die OPs gelingen ohne Komplikationen, die Kameradinnen und Kameraden von der Bundeswehr, die Sekretärin, die Untergebenen, der Vorgänger als Kommandeur (übrigens schwul) erweisen sich als lernbereit. Es habe Vorbehalte gegeben, räumen sie ein, manche hätten sich die Münder zerrissen, keine Frage, aber dann haben sie die neue Kommandeurin behandelt wie jede und jeden anderen auch. Das kommt alles ziemlich glaubwürdig rüber. Die andere Seite, den Hass, die Vorurteile, den Hate Speech, die gibt es – in Internetforen, wohl auch in Mails. Biefang weiß darum, liest das. An manchen Tagen erträgt sie es leichter, sagt sie, an anderen ist es hart.

Biefang hatte Glück im Moment des Coming-out, das ein paar Jahre zurückliegt. Sie stieß auf einen Bundeswehrjuristen, der mit einem solchen Fall noch nicht konfrontiert war, aber vorurteilsfrei und konstruktiv Lösungen suchte und fand: Man sieht im Film einen unendlich redlich wirkenden Mann. Einige Jahre ­davor gab es einen ähnlichen Fall, den der Kampffliegerin Christiane Meiners, die nach ihrem Coming-out zu wenig Unterstützung fand, die Bundeswehr verlassen hat und nun im privaten Sektor arbeitet – auch sie kommt im Film zu Wort.

Dennoch erscheint die Bundeswehr in den Ausschnitten, die der Film von ihr zeigt, als verdammt ziviler Verein von Staats­bürger*innen in Uniform. Die ganze Wahrheit ist das, wie jede*r weiß, nicht, aber es ist gut zu sehen, dass es nicht nur die rechtsextremen Netzwerke gibt.

Die Kamera ist selbst kurz vor der OP mit dabei

Auf wenig Widerstand trifft Anastasia Biefang auch im Privaten. Die Eltern sind zwar überrascht, aber so verständnisvoll wie unterstützend. Unter Tränen erzählt Biefang von einem Geschenk, das die Anerkennung als Tochter bewies. Und Samanta, die lesbische Freundin, dann Ehefrau, ist erst recht großartig: Die beiden haben sich per Dating-App kennengelernt, Samanta nimmt Anastasia von Anfang an, wie sie ist: Zunächst noch als Frau mit Schwanz, nach der OP erproben sie dann, spielerisch, berichtet Samanta, was frau mit neu geschaffener Vagina anstellen kann. „Ich bin Anastasia“: Das Schönste ist, dass der Titel und der Film und seine Protagonistin kein Ausrufezeichen hinter dieser Aussage brauchen.

Ekkehard Knörer

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