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dvdeskTheresienstadt als Ort der Dunkelheit

Drei Jahre nach dem Ende des mörderischen Regimes sind sie alle wieder da: Hitler, Heyd­rich, Goebbels, Streicher. Zu Beginn seines Spielfilms „Der weite Weg“, 1948 gedreht, setzt sie Regisseur Alfréd Radok in dokumentarischen Aufnahmen mit ihren Propagandasprüchen ins Bild und ruft brutal in Erinnerung, was jedem im Publikum noch gegenwärtig sein musste. Gegen diesen Hintergrund wird im Vordergrund eine zunächst private Geschichte erzählt: die der Liebe zwischen der Jüdin Hana (Blanka Waleská), die im Krankenhaus arbeitet, und dem Nichtjuden Bureš (Otomar Krejča), der sie heiratet und gegen allen Druck, sie zu verraten, an ihr festhalten wird.

Das Verhältnis von Vorder- und Hintergrund ist ästhetisch buchstäblich zu nehmen. Wieder und wieder kehrt Radok es in avancierten Montagen um: Der Spielfilm läuft als kleines Insert im dokumentarischen Bild weiter, dann zieht das private Bild wieder auf und füllt die Leinwand. Man sieht, im Privaten, eine Familienfeier, Geschirr wird für die Glücksscherben zerschlagen, nichts als Unglück wird folgen. Einer nach den anderen werden Hanas Verwandte und Eltern ins Lager nach Theresienstadt deportiert. Der längst ergraute Vater lässt durch einen Boten noch um schwarzes Haarfärbemittel bitten. Er will jünger scheinen, in der Hoffnung, in Auschwitz nicht gleich an der Rampe in Richtung Gaskammer selektiert zu werden.

Nach Theresienstadt verlagert sich das Geschehen des Films. Auch Hana landet bald dort, da sind ihre Eltern aber schon in Richtung Gaskammer abtransportiert. Als später eine Gruppe von Kindern aus den Lagern im Osten in Theresien­stadt ankommt und unter die Duschen geschickt werden soll, drängen sie panisch schreiend davon. Die Vernichtungslager sind stets präsent, ein Mann im Lager rezitiert litaneiartig die Namen ­Auschwitz, Majdanek, Treblinka.

Theresienstadt selbst, in seiner Hybridstellung zwischen Lager und Getto, inszeniert Radok als Ort der Dunkelheit, der Not, des Drangs zu Nähe, fast wie im Horrorfilm dann gespenstisch leer eine Szene, wenn ein Zug mit Typhuskranken eintrifft – auch die berüchtigte Verschönerungsaktion, die das Rote Kreuz bei einem Besuch so fatal in die Irre geführt hat, setzt er ins Bild.

Die Machart des Films verweist auf den Expressionismus der zwanziger Jahre, mit düsteren Schatten, die Kamera ist beweglich. Von heute aus erinnert das vielfach an das andere Erbe des Expressionismus, den Film Noir im Hollywood dieser Jahre, dessen Ästhetik stark durch jüdische Emigranten beeinflusst war.

Regisseur Radok war ein Mann des Theaters. Für „Der weite Weg“ erhielt er international Anerkennung, in der Tschechoslowakei selbst wurde er aber unterdrückt – die stalinistische Zensur fand ihn in Inhalt und Ästhetik, liest man, zu jüdisch. Mit den wenigen weiteren Filmen, die er, von der Zensur behindert, drehte, war er von großem Einfluss für einen ambitionierten Regisseur wie Miloš Forman, der ihm mehrfach assistierte.

Radok selbst, Sohn eines Juden und einer Katholikin, war unter der Nazi-Herrschaft ins Arbeitslager Klettendorf geschickt worden. Sein Vater und dessen Verwandte wurden alle ermordet. Während der Tauwetterphase nach Stalins Tod hat Radok mit Otomar Krejča, dem Hauptdarsteller von „Der weite Weg“, legendäre Aufführungen am Nationaltheater inszeniert, die nicht zuletzt den Dramatiker und späteren Präsidenten Václav Havel sehr beeindruckten.

Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings ging er ins Exil nach Schweden. Dem Kino ist, wie „Der weite Weg“ zeigt, ein großer Regisseur verlorengegangen.Ekkehard Knörer

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