dvdesk: Kein Film zum Wohlfühlen
Swanson (Tim Heidecker) ist ein ziemlich prall geschnürtes Ekelpaket. Ein nicht mehr ganz junger Mann Mitte dreißig, lebt im Hipster-Viertel Williamsburg, Brooklyn, feiert gern Partys mit seiner Clique aus Männern ihm ähnlicher Art, bei denen man sich in Richtung Bewusstlosigkeit und (eigener) Strip-Performances trinkt. Oder auch dummes Zeug redet über die Vorteile Hitlers – nicht der Massenmord oder so, aber ganz schlecht war der Mann aus Gründen, die im Suff untergehen, auch wieder nicht. Swanson hat Geld, vermutlich geerbt, nicht mal ein erfolgreiches Start-up traut man ihm so recht zu, und er hat ein Boot, mit dem er auf dem East River rumgondelt, die Wampe in die Sonne hängt, meist allein, aber auch für Dates, zu denen es mit erstaunlicher Regelmäßigkeit kommt, ist das Ding zu gebrauchen.
Diesem Kerl, an dem wirklich wenig Anziehendes ist, setzt einen Rick Alversons Film neunzig Minuten lang aus. Der Titel „The Comedy“ führt in die Irre. Das alles ist nicht lustig. Der Typ ist nicht, die Dialoge sind es nicht und auch nicht die Situationen, in die er gerät. Höchstens an dem, was man comedy of embarrassment nennt, also einer Komik als Reaktionsbildung auf Fremdschämen, schrammt es manchmal vorbei. So führt auch die Besetzung des Protagonisten mit dem Comedian Tim Heidecker – berühmt vor allem als eine Hälfte des Comedy-Duos Tim & Eric – auf eine schön falsche Spur. Wobei die Besetzung doch passt, denn viele der Szenen sind offenkundig improvisiert. Da ist es gut, dass sie einer spielt, der kein Problem damit hat, dass das Es spontan aus ihm spricht, statt dass er sich an der symbolischen Ordnung eines Drehbuchs festhalten kann.
Von der eigenen Existenz zu Tode gelangweilt
Viele der Situationen, in die der Film zerfällt, aus deren sehr loser Folge er sich zusammensetzt, haben keinen Aufbau, keinen Konflikt, keine Pointe. Ein souveränes Ins-Leere-Gehen. Einmal gesellt sich Swanson aus einer Laune heraus zu hispanischen Gartenarbeitern und provoziert die weißen Hausbesitzer, indem er als vermeintlicher Chef der Truppe die Erlaubnis zur Benutzung des Pools von ihnen verlangt. Alverson macht sehr klar, dass das keine politische Forderung ist; als Teil einer Gemeinschaft kann sich dieser Swanson im Grunde nicht denken. Es folgt auch nichts aus der Sache. So ist das nicht mehr als ein Stunt, mit dem er, der von seiner eigenen Existenz zu Tode gelangweilt erscheint, sich einen kleinen Thrill zu schaffen versucht.
„The Comedy“ zeigt toxische Männlichkeit, weiß, reich, in jeder Hinsicht privilegiert. Swanson und die anderen machen sich die Welt, in der die anderen arbeiten, kämpfen, leiden, mit lässiger Verachtung zur eigenen Bühne. Swanson nimmt einen Job als Tellerwäscher an, eher unklar, warum, außer vielleicht um eine Kollegin ins Bett zu kriegen. (Was gelingt, und auch nicht.) Swanson und die anderen gehen in die Kirche, aber nur um das, was den anderen dort heilig ist, mit Weihwasserquatsch und Rumrutscherei auf der Kirchenbank ins Lächerliche zu ziehen. Auch das: einfach so. Nichts, was Swanson und die anderen Jungs tun, ist von Bedeutung oder hat Gewicht. Nicht die Handlungen und nicht ihre Worte.
Alverson zeigt all das, lange, geduldig, aus großer Nähe, ohne jede Sympathie, aber ohne die Position des Beobachters je zu verlassen. Es liegt ihm nichts daran, das Unangenehme dieser Figuren zu mildern. Ein Film zum Wohlfühlen ist „The Comedy“ nicht: Das ist gerade das Starke daran. Mit dem Nachfolger „Entertainment“ war Alverson dann in deutschen Kinos zu sehen (taz vom 15. 9. 2016). Das Label Bildstörung hat die beiden Filme nun in eine DVD-Edition gepackt: Sollte man sehen.
Ekkehard Knörer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen