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dvdeskZu viel Sex & Crime

Im Kies, da liegt der Hund begraben, und am Ende nicht nur er. Was an deutscher Vergangenheit verdrängt war, kommt in Helmut Käutners „Schwarzer Kies“ unweigerlich wieder zum Vorschein; und was an deutscher Gegenwart zum Davonlaufen ist, wird in dem 1961 entstandenen Film grell ins Zentrum gestellt.

„Haut auf Haut“ sollte der Film ursprünglich heißen, aber das war seinen Machern zu nah an der Kolportage, die der Film zum Glück dennoch ist. Nackte Haut bekommt man zu sehen, und Sex, und nackte Angst auch, reichlich von beidem, im fiktiven Ort Sohnen im Hunsrück, in dem sich Nachtlokal an Bordell reiht, und Nachtlokal wie Bordell werden von den amerikanischen Soldaten stark frequentiert.

Neben dem alten Ortskern von Sohnen liegt die Airforce Base der U.S. Army, es gehören die für die Soldaten errichteten neuen Wohnsiedlungen mit ihren standardisierten Küchen und ihren modernistischen Vasarely-Tapeten dazu. Hier lebt Inge (Ingmar Zeisberg) mit ihrem Mann, Major Gaines (Hans Cossy), ganz frisch, die Umzugskisten sind noch nicht ausgepackt, das Schicksal aber führt sie mit dem virilen Robert (Helmut Wildt) wieder zusammen, mit dem sie in früherer Zeit eine erotische Liaison verband. Mit seinem Kieslaster schleppt Robert den Major und seine Frau ab, alle Stricke reißen, und für beide nehmen die Dinge von hier an an einen Lauf, der mehr von ihren Körpern als ihrem Willen bestimmt wird.

Der Kies wird für den Bau einer neuen Landebahn gebraucht, die Fahrer machen illegale Geschäfte damit. Robert hat ein Zimmer in einem Saloon mit Bordell, er lebt da in einer offenen Beziehung mit einer Prostituierten, hat aber zugleich vor der Stadt eine Art Westernhütte im Steinbruch, neben die er sich das leicht miniaturisierte Modell einer Kirche gebaut hat. Ziemlich wüst zusammenfantasiert ist das, in einer Geschichte mit Tod, Fahrerflucht, Sex und Betrug auch zusehends wüst zusammengeplottet, aber hier will und kann Käutner einmal voll auf die zwölf, anders als in vielen seiner anderen Nachkriegsfilme.

„Alle deutschen Tabus durchstoßen“ wollte er mit „Schwarzer Kies“. Und bekam Ärger ausgerechnet mit dem Zentralrat der Juden. In einer Szene marschiert ein alter Nazi im Nachtlokal vor der Jukebox, die auf sein Kommando und zum Verdruss der GIs ein Marschlied nach dem anderen spielt. Der Betreiber fordert ihn auf, es gut sein zu lassen, und wird von ihm als „Saujud“ beschimpft. Am Unterarm des Betreibers erkennt man die tätowierte Nummer aus dem KZ. Ohne Zweifel ist das eine Szene, die die Präsenz alter Nazis im Nachkriegsdeutschland scharf kritisiert. Der Zentralrat hatte mit dem Beruf des Juden wohl ein Problem, der alles andere als moralinsaure Film hat es eindeutig nicht. Die Szene wurde dennoch gestrichen. In der von der Murnau-Stiftung restaurierten und nun auf DVD verfügbaren Premierenfassung ist sie wieder zu sehen.

Ein Erfolg war der Film auch in der entschärften Version nicht, weder beim Publikum noch bei der Kritik. Zu viel ungeschminktes Deutschland, zu viel Sex, Crime und Noir. Subtil ist „Schwarzer Kies“ wahrlich nicht, aber wie unverklemmt er seine Darsteller und ihre Körper in Szene setzt, wie er auf Moralvorstellungen keine Rücksichten nimmt, das macht ihn im deutschen Kino seiner Zeit zu einem erstaunlichen Fremdling. Ekkehard Knörer

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