piwik no script img

dvdeskAlles tanzt miteinander

„Das Ultimatum“ (USA 1977, Regie: Robert Aldrich)

Ex-General Lawrence Dell (Burt Lancaster) hat Lauteres im Sinn, wenngleich seine Mittel unlautere sind. Mit zwei harten, aber auch street-smarten Männern entkommt er dem Knast und nimmt, als wäre es eine Festung, einen Raketenabschusspunkt ein. Neun nukleare Sprengköpfe sind unter seiner Kontrolle. Das verleiht ihm eine recht souveräne Verhandlungsposition. Er fordert Geld, für die Helfer. Er fordert freien Abzug, denn er will leben. Vor allem aber fordert er, dass der Präsident der Vereinigten Staaten vor laufenden Kameras die niederen Motive hinter dem Viet­namkrieg enthüllt.

„Das Ultimatum“ ist der deutsche Titel des Films, dessen Originaltitel „Twilight’s Last Gleaming“ die amerikanische Nationalhymne zitiert. Das ist subtiler. Robert Aldrich hat ihn 1977 gedreht, also mitten im Kalten Krieg, nach einem Roman des Trivialliteraten Walter Wager. Amerika, so die schön naive Prämisse von Buch und Film, sollte die Wahrheit sagen über sich selbst, auch wenn sie schmutzig ist. Und daran, dass es diese schmutzige Wahrheit gibt, lässt der Film keinen Zweifel, wenngleich er nie sagt, worum es ganz genau geht.

Den Präsidenten David T. Stevens spielt der großartige Charakterdarsteller Charles Durning als Mann mit Gewissen. Im Kreis der Berater diskutiert er sehr ernsthaft über die radikale Transparenzforderung von Ex-General Dell. Minutenlang. Immer wieder. Man wälzt Argumente, hin und her. Zweieinhalb Stunden fast hat der Film. Das gibt ihm den Charakter einer Oper mit langen Rezitativstrecken. Sie verlangen, so redlich und wacker sie sind, ein wenig Geduld. Aber man wird belohnt.

Robert Aldrich ist ein Meisterregisseur im ganz handwerklichen Hollywood-Sinn. Er inszeniert funktional und präzise. Wenn es um Spannung geht, wird es phänomenal. Bomben drohen zu explodieren, die Nuklearraketen drohen zu starten. Aldrich macht lange arienartige Sequenzen daraus, und zwar im Split-Screen. Und keiner agiert hier allein. Man sieht zwei, drei, vier Bilder im Bild.

Dass die Männer im Kontrollraum ihr Außen durch Überwachungskameras (schwarz-weiß) sehen, macht die Vervielfältigung des Bildmaterials möglich. So bringt Aldrich die verschiedenen Schauplätze und die Männer (alles Männer; nur Männer; ein Hardcore-Männer-Film) und auch die Objekte, die Kameras, Bomben, Raketen, Telefone, Schalter und Hebel – Aldrich bringt also das alles dazu, im beweglichen Split-Screen miteinander und gegeneinander zu tanzen, durch Dopplungen und Verdreifachungen, parallel, gegenläufig, retardierend, sich steigernd.

Virtuoses Spätwerk

Burt Lancaster hat einen Widersacher ganz ohne Gewissen, General Martin MacKenzie. Und weil ihn Richard Widmark spielt, weil der alte Joseph Cotten mit von der Partie und auch Lancaster schon Mitte sechzig ist, ist „Das Ultimatum“ ein Spätwerk im vielfachen Sinn. Das alte Hollywood zeigt New Hollywood, wie virtuos es sein Handwerk versteht.

Die Pointe dabei: In den USA bekam Aldrich das Geld nicht zusammen. Des Stoffs wegen, aber er galt bei den Studios auch als Mann von gestern, hat danach nur noch drei Filme gedreht. Darum ging er nach Deutschland, und tatsächlich fand er in Helmut Jedele von der Bavaria einen willigen Produzenten. So ist „Das Ultimatum“ zum großen Teil in den Bavaria-Studios gedreht, Rolf Zehetbauer zeichnet, wie bei den späteren Fassbinder-Filmen und wie bei „Das Boot“, zuständig für das Production Design.

In Deutschland gibt es den Film nur um dreißig Minuten gekürzt. Eureka veröffentlicht in Großbritannien nun, digital restauriert, die vollständige Fassung. Es lohnt sich, das halb vergessene Werk zu reimportieren. Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab rund 17 Euro auch bei deutschen Händlern erhältlich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen