piwik no script img

dvdeskErst Hass, dann Liebe, dann Hass

„Listen Up Philip“ (USA 2014; Regie: Alex Ross Perry)

Philip (Jason Schwartzman), ein New Yorker Stadtneurotiker, zieht es aufs Land. Wo er natürlich zum Landneurotiker wird. Wobei: Eigentlich zog es ihn nicht, es war ein anderer, der ihn drängte: Ike Zimmerman (Jonathan Pryce), ein älterer Herr, Schriftstellerlegende, er lädt Philip ein in sein Landhaus. Er selbst hielt es so: Pendelei zwischen der Stadt und dem Land, eine Frau hier, eine andere da.

Auch Jason ist Schriftsteller, weit davon entfernt, eine Legende zu sein, aber erste Erfolge bestärken ihn in seiner neurotischen Arschlochhaftigkeit. So treibt er beim zweiten Roman seinen Verlag in den Wahnsinn mit der Verweigerung aller Auftritte und Reisen und PR aller Art.

Erfolgsungleichgewichte

Zum Ziehen und Drängen kommt ein Drittes hinzu: Seine Beziehung mit der Fotografin Ashley (Elisabeth Moss) hat schon bessere Zeiten gesehen. Beide kommen mit Erfolgsungleichgewichten nicht so gut klar, er freilich noch um einiges schlechter. „Listen Up Philip“ ist also unter anderem eine Geschichte darüber, wie eine Beziehung zerfällt.

Ungewöhnlich ist, dass der Film dabei nicht durchweg seiner Titelfigur folgt, sondern mit Ausdauer und Liebe bei Ash­ley verharrt. Sie ist sauer auf Philip, will ihn nicht verlieren, hasst ihn, ist einsam, verflucht ihn, Gefühle ziehen über das Gesicht von Elisabeth Moss wie Wolken über einen stürmischen Himmel. Kein Wunder, dass Alex Ross Perry nach diesem hier gleich einen ganzen, leider ziemlich problematischen Film über das Gesicht von Elisabeth Moss gedreht hat, „Queen of Earth“, er war in diesem Jahr auf der Berlinale zu sehen.

Bleibt umso stärker die Frage, ob es wirklich noch einen Film über einen beziehungsunfähigen und narzisstischen, natürlich weißen New Yorker Schriftsteller braucht. Und die Antwort ist klar: Nein, braucht es eigentlich nicht. So recht ist an der Figur des Philip auch nichts über die üblichen Neurosen und die manchmal sehr gekonnt giftigen Dialoge hinaus interessant. Das Gute ist, dass „Listen Up Philip“ von der Fadheit seiner Hauptfigur im Grunde wohl weiß, weshalb der Film eine ganze Reihe anderer Figuren einführt und mit einiger Screentime bedenkt.

Da sind nicht nur Ashley und Ike, sondern auch Melanie (Krysten Ritter), die Tochter von Ike, die meist im Landhaus herumhängt und Philips Anwesenheit zunächst gar nicht goutiert. Und später, Philip hat nun einen ungeliebten Job als Crea­tive-Wri­ting-­Lehrer in einem College im Norden, tritt eine Kollegin namens Yvette (Joséphine de la Baume) in sein Leben. Erst hassen sie sich, dann lieben sie sich, und dann kommt wieder der Hass.

Vor allem ist es aber eine weitere Distanzierungsmaßnahme, der der Film eine gewisse Frische verdankt. Ziemlich oft nämlich spricht ein Erzähler aus dem Off. Er erzählt, er deutet, er redet gespreizten Quark, er ist von einer ausgestellten Literaturhaftigkeit, was auf seine Art auch wieder nervt, aber diese Stimme hält einem doch Philip als Identifikationsfigur so ziemlich vom Leib. Und während dieser Erzähler in seinem dunklen Bariton den ganz schön sprunghaften Film stabilisiert, arbeitet die Kamera allen Verfestigungen mit Eifer entgegen.

Nie hält sie still, nie rastet sie ein, geht nah ran, dann weiter weg, zittert, wackelt, die Unruhe hört nie auf: Kameramann Sean Price Williams sucht New-Holly­wood-Seventies-Vibes – und findet sie auch. Wie überhaupt an „Listen Up Philip“ gerade die widersprüchliche Epigonalität das Spannendste ist: Er erzählt das Drama eines Künstlers, der aus dem Schatten des (angenommenen) Vaters nicht rauskommt. Es ist das, nach drei Filmen zu urteilen, das Drama des begabten Epigonen Alex Ross Perry höchstselbst. Ekkehard Knörer

Die bei Masters of Cinema erschienene DVD ist als Import aus Großbritannien ab rund 20 Euro erhältlich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen