doppelt schwierig: Ausländer statt Abriss
Natürlich, es ist eine Frage der Perspektive. Für Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) ist die Unterbringung von Flüchtlingen in leer stehenden Plattenbauten sicher eine ganz pragmatische Lösung. Die bisherige Heimunterbringung will man nicht mehr, ein ganz normales Leben in ganz normalen Wohnungen ist noch nicht durchsetzbar. Warum also nicht ein Schritt in die richtige Richtung?
Kommentar von UWE RADA
Aus der Sicht des Flüchtlingsrats wiederum ist dieser Schritt eine Verfestigung einer lange währenden Stigmatisierung – er will keine Schritte, sondern endlich eine menschenwürdige Lösung. Auch das ist eine nachvollziehbare Kritik.
Das eigentliche Problem liegt jedoch darin, dass hier zwei Diskussionen respektive Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden sollen: die Unterbringung von Flüchtlingen und die Zukunft der leeren Platten.
Gerade was die von Abriss bedrohten Großsiedlungen angeht, könnte Knake-Werners Vorhaben auch nach hinten losgehen. Diese Siedlungen werden nur dann eine Chance haben, wenn sie als Wohn- und nicht als „Abschiebe“-Standort erhalten und entwickelt werden. Oder hat man schon ganz vergessen, dass es in den Siebzigerjahren türkische Familien waren, mit denen man den Kreuzberger Altbau „auf Abriss“ setzen wollte?
Das soll nicht heißen, dass Flüchtlinge nicht in Plattenbauten dürfen, aber bitte schön nicht nur in gänzlich leer stehende Gebäude und nicht in betreuten Kontingenten. Sonst wird aus dem gut gemeinten Programm schnell wieder eine Heimunterbringung, diesmal nur in anderer Verpackung.
Und mit der Klappe hätte man nicht zwei, sondern gar keine Fliege geschlagen.
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