doppelblind: Warum ein Immunsystem nicht immer reicht
Worum geht’s?
Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, chronisch und unheilbar. Mehr als 9,5 Millionen Menschen weltweit sind davon betroffen. Lange gab es nur einen Therapieansatz: Insulin spritzen. Dank immer besserer Technologien lässt sich die Insulinabgabe aber immer genauer einstellen und dadurch die Krankheit für die meisten gut in Schach halten. Doch eine Heilung gibt es bisher nicht. Ansätze, die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse zu ersetzen, die vom eigenen Immunsystem zerstört werden, sind kompliziert. Zwar können in schweren Fällen das Organ oder auch die Insulinzellkomplexe, die sogenannten Inseln, transplantiert werden. Doch damit sie nicht abgestoßen oder erneut vom selbstzerstörerischen Immunsystem getötet werden, müssen die Patient*innen lebenslang Immunsuppressiva nehmen. Diese Medikamente unterdrücken Teile des Immunsystems und erhöhen dadurch das Risiko für Krebs und Infektionen.
Die Studie
Hier setzt eine neue Studie im Fachmagazin Journal of Clinical Investigation an. Forschende der Universität Stanford konnten Mäuse vom Typ-1-Diabetes heilen. Mit dem Ziel, dem Körper die Fähigkeit zurückzugeben, wieder selbst Insulin zu produzieren, haben sie das fehlgeleitete Immunsystem neu ausgerichtet und die zerstörten Zellen ersetzt. Für Ersteres wurde das Immunsystem einer diabeteskranken Maus um das einer gesunden Maus ergänzt. Die Forschenden transplantierten die Blutstammzellen einer Spendermaus in das Knochenmark der kranken. Aus den Stammzellen entwickeln sich Blut- und Immunzellen.
Um solche Stammzellen in das Knochenmark einzubringen, müsste der Körper normalerweise hart bestrahlt werden, um das alte Immunsystem gänzlich zu entfernen. Die alten und neuen Immunzellen zerstören sich sonst gegenseitig. Doch dafür haben die Forschenden eine Lösung gefunden: Mit schwacher Bestrahlung haben sie eine Nische im Knochenmark geschaffen und mithilfe von Antikörpern die Immunantwort auf die neuen Zellen runterreguliert. Das neue Immunsystem betrachtet beide Körperzellen, die des Spenders und die des Empfängers, als zugehörig. Daraufhin wurde den Mäusen die Bauchspeicheldrüse derselben Spendermaus transplantiert und die Insulinproduktion wieder aufgenommen – ohne Autoimmunreaktion.
Was bringt’s?
Neue wissenschaftliche Studien stellen wir jede Woche an dieser Stelle vor – und erklären, welchen Fortschritt sie bringen. Sie wollen die Studie finden? Jede hat einen Code, hier lautet er: doi.org/10.1172/JCI190034
Das gemischte Immunsystem ist eine neue Methode im Kampf gegen Autoimmunerkrankungen. Die Studienautor*innen hoffen, dass die Methode zum Beispiel auch bei rheumatischer Arthritis helfen kann. Bisher gibt es die Ergebnisse nur im Tiermodell. Inwieweit der Ansatz auf den Menschen übertragbar ist, ist noch unklar. Zumal das Verfahren nur bei weiblichen Mäusen funktioniert habe, sagt Baptist Gallwitz, Sprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Für den langen Weg zu klinischen Studien im Menschen brauche es noch viele Schritte. Doch Gallwitz ergänzt: „Es ist ein Lichtblick am Ende eines langen Tunnels gen Heilung“. Adefunmi Olanigan
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