piwik no script img

doppelblindRNA aus dem Weltraum

Irgendwann muss es mal kein Leben auf der Erde gegeben haben. Und dann, später, gab es dann doch welches. Was ist in der Zeit dazwischen passiert?

Die derzeit weithin akzeptierte Theorie nennt sich „RNA-Welt“. Ihr zufolge war der Vorläufer heutiger Lebensformen Leben das auf sich selbst replizierenden Ribonukleinsäuren (RNA) basierte. RNA kann Informationen speichern und duplizieren sowie Reaktionen ­katalysieren, die Voraussetzung für Leben sind. Das sind Aufgaben, die heute DNA und Proteine erledigen. Beide sind laut der RNA-Welt-Theorie aus RNA entstanden. Nur: Auch die Ribonukleinsäuren müssen ja irgendwo herkommen. Eine Studie, die in der Fachzeitschrift Frontiers in Astronomy and Space ­Sciences erschienen ist, liefert Beweise dafür, dass einige Bausteine für RNA in Molekülwolken im Weltraum entstehen können und mithilfe von Asteroiden auf die Erde kamen.

Molekülwolken sind Wolken aus Gas im Raum zwischen Sonnensystemen, deren Größe, Dichte und Temperatur die Bildung von Molekülen ermöglicht. Eine dieser Molekülwolken befindet sich in der Nähe des Zentrums der Milchstraße, trägt den schönen Namen G+0.693−0.027 und wurde von den Au­to­r*in­nen der Studie mit zwei Teleskopen untersucht. Die Region ist durchschnittlich minus 173 Grad Celsius kalt, durchmisst etwa drei Lichtjahre und hat die tausendfache Masse unserer Sonne.

In G+0.693−0.027 fanden die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen verschiedene Nitrile, also Moleküle, deren Kohlenstoffatom dreifach an ein Stickstoffatom gebunden ist. Nitrile können viele chemische Reaktionen aus­lösen, die zum Beispiel Amide oder Karbonsäuren schaffen. Vor allem aber sind sie nötig, damit Ribonuklein­säuren entstehen, sie sind die Bausteine der RNA. Den Stu­di­en­­­­au­tor*in­nen zufolge beweisen die Funde der verschiedenen Nitrile, dass sie eine der am häufigsten vorkommenden Molekülgruppen im Universum sind. Das wiederum zeige, dass im interstellaren Raum Moleküle entstehen können, die die Chemie der RNA-Welt ermöglichen.

Diese Moleküle müssen nicht schon auf der Erde gewesen sein, als sie entstand. Die For­sche­r*in­nen vermuten, dass sie auf Meteoriten reisten, die während des sogenannten Großen Bombardements vor 3,9 Milliarden Jahren einschlugen.

Die ersten Zellen können aber nicht bloß aus Ribonukleotiden entstanden sein, deren Bausteine der ­federführende Autor der Studie Miguel Requena-­Torres und seine Kol­le­g*in­nen in G+0.693−0.027 ­gefunden haben. Dazu seien auch Lipide nötig, sagt Izaskun ­Jiménez-Serra, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Wo die herkommen, müssen die Forscher*in­nen erst nochherausfinden. Jonas Waack

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen