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documenta_11 spotTsunamii.net mit „Alpha 3.4“

Iiiih, Computer

Auf dem Boden in einer Ecke der Binding-Brauerei liegen vier Monitore in einer Reihe hintereinander. Es gibt keine Tastatur, und auch auf Druck gegen den Bildschirm reagieren die vier LCD-Kisten nicht. Die Arbeit von der Künstlergruppe tsunamii.net ist nicht zur Interaktion gedacht, sondern zur Dokumentation.

Aber zur Dokumentation von was? Die Monitore zeigen gelegentlich wechselnde Zahlenreihen, eine Fehlermeldung und zwei Landkarten von Deutschland mit blinkenden Zeichen darauf. Die kryptische Installation dürfte beim Kunstpublikum einschlägige Reaktionen auslösen – „Iiiih, Computer!“ Und die meisten Besucher, die bei der documenta 11 mit 118 Künstlern, einer fast verdoppelten Ausstellungsfläche, langen Wandtexten und noch längeren Videofilmen ohnehin leicht überfordert sind, dürften über die etwas im Weg liegenden Monitore mit dem angenehmen Gefühl hinwegsteigen, diese unspektakulär und extra schwer konsumierbar wirkende Arbeit getrost ignorieren zu können.

Dabei ist dieses Projekt bei weitem nicht so kompliziert wie viele andere Werke auf der diesjährigen documenta. Charles Lim und Tien Woon von der Künstlergruppe tsunamii.net aus Singapur wandern ganz einfach zu Fuß von Kassel, dem Austragungsort der documenta, nach dort, wo der Server der documenta steht: nach Kiel. Der Server – das ist der ans Internet angeschlossene Computer, auf dem die Website der documenta gespeichert ist, und der gegenwärtig wahrscheinlich gerade unter den Zugriffen von Menschen summt, die sich online über Öffnungszeiten, Katalogpreise und Übernachtungsmöglichkeiten während der Ausstellung informieren.

Mit ihrer Aktion „Alpha 3.4“ erinnern tsunamii.net daran, dass das Internet keineswegs ein „raumloser Raum“ im Cyber-Nirwana ist. Dass man hierzulande vom eigenen PC auf die Website der documenta zugreifen kann, ist nicht selbstverständlich, sondern ein Privileg der Ersten Welt. Möglich ist es nur deswegen, weil in Deutschland Telekommunikationsunternehmen viel Geld investiert haben, um das ganze Land zu verkabeln und zu vernetzen.

Indem tsunamii.net in dreißig Tagen die Wege abschreiten, die normalerweise die Daten in Sekunden zurücklegen, zeigen sie, dass das immaterielle Digitalreich Internet ohne Hardware-Infrastruktur gar nicht existieren könnte. Fast wirkt es, als würden sie mit ihrem mühevollen Gang Abbitte leisten dafür, wie einfach der Rest von uns Informationen über das Netz abrufen kann. Wo Mr. Lim und Mr. Woon gerade wandeln, kann man auf den Monitoren in der Binding-Brauerei beobachten. Denn sie tragen ein mit Global-Positioning-System ausgestattetes Mobiltelefon, das ihren Standpunkt über Satellit an den Rechner in Kassel weiterleitet. Die kleinen, blinkenden Punkte auf dem Monitor – das sind die Künstler.

Leider ist „Alpha 3.4“ die einzige Arbeit der documenta 11, die sich mit den technischen Bedingungen der weltweiten Vernetzung beschäftigt. Das viel annoncierte Thema der Ausstellung ist zwar die „Globalisierung“, doch auf der Basis welcher Hardware sie verwirklicht wird, welche Aussagen die Medientechnologie zulässt und welche sie verhindert, wer überhaupt Medieninhalte produzieren darf und wer von der medialen Kommunikation ausgeschlossen ist – danach fragt die documenta 11 nicht. Sie hat vielmehr ein seltsam naives Verhältnis zu den Medien, das zwangsläufig auch im Thema der Globalisierung aufscheint. Sie zeigt Symptome und Subjekte der Globalisierung; zu den technischen Strukturen, die sie erst möglich machen, dringt sie nicht vor. Als lesender Globalisierungskritiker fragt man sich da: Hat die Globalisierung bei ihrem scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug nicht wenigstens einen Laptop und ein Modem dabei? Ist sie nicht auf die Kabel der Deutschen Telekom oder ATT angewiesen, um den Planeten in ihren Griff zu bekommen? TILMAN BAUMGÄRTEL

Im Internet unter: www.tsunamii.net

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