dieser verdammte krieg (IV):
ROGER WILLEMSEN führt heute das Kriegstagebuch der taz.
Militärschlag mit Augenmaß
Wenn der Krieg vorbei ist, wird die Weltmacht Nr. 1 eines der ärmsten Länder der Erde aus dem Leben gebombt haben, und auch die Gefühle dazu sind vorgeschrieben: Unpatriotisch wird es sein, nach Opfern zu fragen oder Mitleid mit ihnen zu haben. Kriege sind die Stunde der Opportunisten, und die werden mit jenem Bedauern, das sie schon Tschetschenien oder dem Kosovo spendeten, versichern, dass es leiderleider sein musste. „Wer nicht hören will, muss fühlen“, begründete Reagan ehemals die Bombardierung von Tripolis und Bengasi nach dem „La Belle“-Attentat und berief sich auf „Beweise“, die heute, 15 Jahre später, immer noch fehlen. BND-Chef Wieck trichterte der Presse damals ein, es sei den USA gegenüber illoyal, „Beweise“ bloß „Hinweise“ zu nennen, und sämtliche EU-Außenminister, die sich noch abends zuvor gegen einen Militärschlag ausgesprochen hatten, waren am nächsten Tag spontan dafür. Im Westen nichts Neues also. Für einen Militärschlag sind die juristischen Hürden niedriger als für die Bestrafung eines Handtaschenraubs, und für die moralischen Hürden stehen Schreibtisch-Landser allzeit bereit. Großen Kriegen entspringen nun einmal auch große journalistische Karrieren. Und wenn man zuletzt vor einem oder zwei zerstörten Ländern steht und den „internationalen Terrorismus“ trotzdem verfehlt hat und wenn dann noch das Gefühl der kathartischen Reinigung ausbleibt, dann endlich wird man diesem Krieg immer schon „sehrsehr skeptisch“ gegenübergestanden sein und einen „Militärschlag mit Augenmaß“ gefordert haben.
MORGEN: Wiglaf Droste
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