dieser verdammte krieg (45):
ROGER WILLEMSEN führt heute das Kriegstagebuch der taz.
Der Krieg und die Kriege
Der Krieg hat viele Gesichter. Er hieß schon „Krieg“, als er noch „privatisierte Gewalt“ (Eppler) war. Dann hieß er „Krieg der Welten“ (Spiegel). Das ist merkwürdigerweise etwas Milderes als „Weltkrieg“. Dann taufte man ihn „Krieg gegen das Böse“. Doch die Bomben fielen besonders auf die Guten. Vor allem aber war er nie „ein Krieg gegen das afghanische Volk“. Die Zahlen der „Kriegsopfer“ unter Zivilisten wurden bisher trotzdem lieber nicht veröffentlicht. Dann wurde er bescheidener zum „Krieg gegen die Taliban“, der weder erklärt, noch aus dem 11. September ableitbar war.
Anschließend mutierte er – noch kleiner – zu einem Krieg gegen die „Terror-Organisation al-Qaida“, von der Experten allerdings behaupten, sie bestehe in Afghanistan aus wenig mehr als einer Sicherheitstruppe zum Schutz von Bin Ladens ehemaligem Haus in Kabul. Dass Kabul der Sitz der al- Qaida sei, erlog man so lange, wie es kriegsdienlich war.
Inzwischen ist Bodenkrieg und Donald Rumsfeld lacht, wenn man ihn fragt, ob er das Erschießen von Kriegsgefangenen favorisiere. Das Gelächter trifft die Genfer Konvention.
Jetzt besiegt also eine Supermacht eine Organisation, die in Afghanistan weniger Mitglieder hatte als der FC St. Pauli und die eine kriegerisch gewordene Öffentlichkeit spontan als Weltkriegsgegner akzeptiert. In der Geistesgeschichte gilt solcher Verzicht auf Rationalität als Indiz für „Kriegsbegeisterung“.
Das weisen wir entschieden zurück. Denn dieser Krieg ist unsere Daily, die uns darüber hinwegtäuscht, dass wir eigentlich in einer Vorkriegszeit leben.
MORGEN: Sibylle Berg
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