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die wahrheitDie Lust am Umlegen

Einmal im Leben muss ein Mann einen Baum gefällt haben, zusammen mit seinem Vater.

Hat der Sturm den Baum niedergestreckt, wird der Mann ums Vergnügen gebracht Bild: dpa

Im Garten stehen zu viele alte Sträucher und Bäume herum. Und die vorherigen Besitzer waren räudige Forstdilettanten, die immer nur die Stämme knapp über den Boden abgesägt, die Wurzeln also unausgerodet gelassen haben. Wie sieht denn das aus!? Hier ist eine scharfe Axt gefragt und ein Kerl, der sie anmutig zu führen versteht. Nun, ich bin das nicht, trotzdem mache ich es, und mein Vater, der mir mit einem Werkzeug in der Hand immer noch Angst einflößt, wie damals, als ich in der Fahrertür seines Jahreswagens groß meinen Namen eingeritzt hatte, hilft mir dabei. Ich zögere diese Arbeitseinsätze hinaus, weil sie zeitraubend sind und, wie schon gesagt, aus Furcht, aber wenn wir erst mal loslegen, machen sie beinahe Spaß.

Der große Landschaftsgärtner, Kulturphilosoph und Schmecklecker Fürst Pückler hat mal bei einer Familienportion Eis davon gesprochen, dass sich der Mensch nirgends deutlicher der ihm innewohnenden göttlichen Herrlichkeit bewusst sein könne als bei der "schweißrausdrückenden Exzision des überjährigen Fruchtbaumbestandes". Es hat durchaus auch etwas Kontemplatives, aber das ist es eigentlich nicht, was die bordeigene Glückshormonproduktion rund laufen lässt. Es ist die Lust am Niederstrecken, am Kappen, Umlegen, Dezimieren.

Mit dem Spaten machen wir die leidige Vorarbeit, graben einen kleinen Krater und legen so die Wurzeln frei. Dafür bräuchte man eigentlich Angestellte. Aber das gehört dazu, das steigert die Vorfreude, denn unser Gespräch kreist um den Trumm, wie unsere Spaten es tun. Wir taxieren ihn ("Pfahlwurzler, ganz klar!"), kommentieren die Bodenbeschaffenheit ("Das ist ja reiner Kitt hier.") und beschimpfen plötzlich auftauchende Hindernisse und Seitentriebe ("Orrr, du Sau, dich mach ich alle "). Was sind das nur für herrliche Zeiten, in der ein Gespräch über Bäume kein Verbrechen mehr ist.

Denken und Arbeiten koinzidieren völlig, man ist ganz Rückgrad, für mehr ist auch kein Sauerstoff da. Und dann endlich kommt die Axt zum Einsatz. Mein Vater reißt mir ein Haar aus und legt es auf die Schneide, wo es sich behaglich macht, bis mein Vater es barsch wegpustet, nach einem unheilvoll durch die Zähne gezischten "Das wäre ja auch noch schöner!". Dann wirft er mir die Axt zu.

Oberschenkeldicke Wurzeldornen werden durch das stete, gewalttätige Auf und Nieder gekappt. "Du musst ein Dreieck reinschlagen, links schräg, rechts schräg, sonst bistu hier morgen früh noch zugange", feuert mein Vater mich an, jeden Hieb mit einem herrischen Kopfnicken sanktionierend. Als ich schon bald nicht mehr kann, entreißt er mir seufzend das Gerät, als hätte er es geahnt, vermutlich schon immer gewusst, und lässt unbarmherzig die Splitter fliegen. Es ächzt und knirscht da im Holz, als litte jemand Schmerzen. "Sooo, jetzt kommta!", triumphiert er, und wir hängen uns an den Stamm, zerren ihn nach unten, so dass unter lautem, ungesundem Krachen die Wurzel herausbricht. Plötzlich stellt sich unweigerlich dieses Glücksgefühl ein. Der reine Atavismus, der auch das Kleinkind glücklich macht, wenn es wieder und wieder den Turm aus Bauklötzen niederstreckt.

Wenn man dann den Baum in die Einzelteile zerlegt und diese auf einen Haufen gestapelt und schließlich auch noch das Loch mit gutem deutschen Mutterboden gefüllt hat, kommen die Frauen hinzu und beklatschen das Werk. Größere Seinszufriedenheit und tiefere Verbundenheit mit der Welt sind mir selten zuteil geworden. Oder wie der talentierte Hobbygärtner Gottfried Benn es einmal auszudrücken beliebte: "Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück."

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