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die wahrheit"Alle wollen zugelabert werden!"

Ein Wahrheit-Interview mit dem deutschen Wortmüllentwickler Thomas H. Barniff

Bild: Beckenbauer: Auf Crash Test hängen geblieben

taz: Herr Barniff, Sie haben in ihrer Firma Crash Brain ein ganz spezielles Virenprogramm entwickelt?

Thomas H. Barniff: Ja, damit kann man normale Gedanken in Gülle ummodeln.

Gülle? Gehts da um die Senkung des CO2-Ausstoßes?

Quatsch, wo Gülle rauskommt, da erhöht sich doch der CO2-Ausstoß! Typisch Journalist, keine Ahnung. Aber ihr gehört ja nicht umsonst zu meinen besten Kunden. Gülle ist einfach unser Fachbegriff für Wortmüll.

Okay, aber wird nicht schon genug Müll geredet?

Natürlich, aber es geht ja nicht um den belanglosen kleinen Wortmüll wie, sagen wir mal, "Meister der Herzen".

Sondern?

Um den wirklich bedeutenden Wortschrott, mit dem man Großes erreichen will.

Eine Frau rumkriegen, indem man sie vorher zutextet?

Das gibts natürlich auch, aber ich meine die wirklich, wirklich wichtigen Dinge wie politische oder wirtschaftliche Zielsetzungen. Die muss man ja schließlich irgendwie begründen.

Können Sie uns mal ein Beispiel sagen.

Nehmen wir mal den Tony Blair. Neulich, als der noch im Amt war, hatte der über das potthässliche Olympia-Logo von London 2012 gesagt: Er hofft, dass die Menschen beim Betrachten des Logos inspiriert werden, ihr Leben positiv zu ändern. Echt gaga, oder?

Klar, aber was soll der Stuss?

Na ja, das Logo hat 600.000 Euro gekostet. Das muss ja irgendwie begründet werden, und da hat die Werbeagentur eben mein Programm genutzt. Ich bin mit meiner Firma Crash Brain weltweit aktiv: Bush, Schäuble, Kaczynskis oder dieses Dumm-dumm-Geschoss Paris Hilton, aber die ist eher irrelevant.

Auch Franz Beckenbauer?

Logo, aber der Franz ist ein besonderer Fall. Darf man eigentlich gar nicht erzählen, glaubt einem ja wahrscheinlich kein Mensch.

Wieso?

Na, bei dem hatten wir bei Crash Brain mal vor Jahren heimlich ein Testprogramm installiert.

Wie das denn?

Betriebsgeheimnis - nur so viel, es geht direkt über die Nahrungsaufnahme ins Hirn. Jedenfalls ging damals alles noch ein bisschen drunter und drüber, wir waren halt noch im Versuchsstadium. Der redete dann so viel unkoordinierten Müll, dass uns das irgendwann selber auf den Wecker ging. Der Franz sagt heute das und morgen das, und alles widerspricht sich. Aber den kriegen wir nicht mehr umprogrammiert. Aber da er auch nichts wirklich Schlimmes anrichtet, so weltpolitisch gesehen, lassen wir ihn einfach weiterplappern.

Wer sind eigentlich Ihre Auftraggeber, die Sie bezahlen?

Weltkonzerne, manchmal auch Heuschrecken, die ihr Image verbessern wollen.

Gibt es keine Anti-Wortmüll-Programme?

Natürlich, diese Sprachschützer und Dativretter gibts ja inzwischen an jeder Ecke. Aber unser Motto bei Crash Brain lautet: "Reden und reden lassen." Wir sind sowieso immer schneller.

Wo kommen Ihre Viren am einfachsten in die Köpfe?

Ganz klar: Werbefuzzis, da könnte ich tausende Beispiele nennen. Zuletzt gefiel mir ganz gut diese Brause: "das offizielle Getränk für eine bessere Welt". Dann wie gesagt Politiker, Marketingleute, Steve Jobs, Mehdorn oder dieser Bischof "Gebärmaschine" Mixa.

Ach, das mit der "Gebärmaschine" ist auch von Ihnen?

Natürlich.

Die Geschäfte laufen gut?!

Wir können nicht klagen, mit Schwachsinn vollgelabert werden will der Mensch ja immer. Wir verdienen satt Kohle.

Und dann machen Sie auch schon mal Party?

Aber hallo! Manchmal holen wir dann ein paar Leute ran, die wir vorher so einfach nur aus Gag mit Spaßviren verseucht haben.

Bitte?!

Na, diese Gangsta-Rapper wie Bushido oder auch Udo Lindenberg oder Prinz Poldi.

Verleihen Sie etwa auch einen Wortmüll-Award?

Klar, aber mit solchem Quatschkram wie dem "Unwort des Jahres" hat das nichts zu tun. Wir zelebrieren das vielmehr als weltweites Event. Denken Sie an das Paris-Hilton-Interview nach ihrer Knastzeit oder die IOC-Session, bei der Sotschi die Olympischen Spiele 2014 bekam und Putin anschließend sagte, das sei eine weltweite Anerkennung für das neue Russland. Irre!

Funktioniert das eigentlich auch umgekehrt, also dass man Leute, die generell nur Murks reden, ausnahmsweise mal was Klügeres sagen lässt?

Sicher ginge das, aber wozu? Wer soll das wollen und bezahlen? Unsere Auftraggeber jedenfalls nicht, die wollen Leute, die möglichst verquast um den heißen Brei reden. So wie Sabine Christiansen um Beispiel. Leider ist sie ja nun weg. (grinst)

Haben Sie damit etwa auch zu tun?

Tja, wir haben die einfach vom Markt gekauft und lassen die jetzt in unserer Programmierabteilung ordentlich rackern.

Wir danken Ihnen für das sehr erhellende Gespräch.

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