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die wahrheitverwandtschaftsbesuch

Hilfe, die Verwandten kommen! Zeit zu fliehen. Bei "Fliehen" denkt man automatisch an "Osten".

Sieht nur so aus wie Bottrop oder Herne, ist aber die Innere Mongolei Bild: dpa

Viel lieber würde ich über etwas anderes schreiben oder Kreuzabnahmen malen. Ich gestehe, dass ich mich in den letzten Tagen noch ganz anderen Dingen hingegeben habe. Aber hier geht es nun einmal um den Verwandtschaftsbesuch.

Es begann damit, dass wir einen Brief von unserer Verwandtschaft erhielten: "Ihr Lieben, wir kommen am Freitagnachmittag und bleiben bis Sonntagabend. In der Zwischenzeit fressen wir alles zusammen und kacken in die Schubladen. Wir wünschen uns fröhliche Mienen und möchten alle Filme mit dem Killerkrokodil sehen. Auf die Schnauze brauchen wir aus unserer Sicht nichts. In der Hoffnung, dass Ihr wisst, was Ihr uns schuldig seid: Eure Verwandten"

Wir sahen uns gezwungen, augenblicklich zu fliehen. Bei "Fliehen" denkt man automatisch an "Osten", daher flohen wir nach Osten, hauptsächlich wegen der dort bekanntlich herrschenden Dunkelheit. Es war so dunkel, dass uns unsere Verwandten nie hätten aufspüren dürfen. Kurz vor dem Nachmittagstee tauchten sie dann aber doch am Horizont auf. Es musste eine undichte Stelle in der Dunkelheit geben.

Im Blindflug hasteten wir weiter, bis wir etwas erreichten, das sich wie das Erzgebirge anfühlte. Kurz darauf aber hörten wir die Stimmen unserer Verwandten wenige Werst hinter uns, also war unseres Bleibens im Erzgebirge nicht länger. Wir maskierten uns als Schlafwandler, die nachts im Pyjama unterwegs zu ihren Elternhäusern waren, und flohen durch das tief verschneite Transsylvanien. Um die Verwandtschaft von unserer Spur abzulenken, veränderten wir unsere Schlafanzüge so, dass nichts an ihnen mehr auf uns hinwies. Jede freie Minute nutzten wir intensiv zur Entwicklung eines Verwandtschafts-Frühwarnsystems. Am meisten Schwierigkeiten bereitete uns das Verfassen einer brauchbaren Bedienungsanleitung zum eigenen Gebrauch.

Weiter gings zum Balkan, wo gerade Silvester war. Die Silvestergebräuche auf dem Balkan waren höchst staunenswert, Tischfeuerwerk zum Beispiel bestand im Verbrennen von Tischen; manche Leute platzen auch einfach, und die übriggebliebenen machten Gipsabdrücke von den Knallgeräuschen. Die Allerärmsten ohrfeigten stundenlang ihre Kinder. Wer nicht einmal Kinder hatte, klatschte in die Hände. Das war kein Land für uns.

Ziel unserer Flucht war die Innere Mongolei, in eine solche Gegend würden sich unsere Verwandten wohl nicht trauen. Und das haben sie bis zum heutigen Tag tatsächlich nicht. Als wir hier ankamen, fanden wir, dass alles aussah wie in Herne. Inzwischen sieht es mehr aus wie in Bottrop. Wir haben uns gut eingelebt, und die Schönheit der mongolischen Klopfzeichen, welcher bereits Buffalo Bill seligen Angedenkens erlegen ist, tut ein Übriges.

Heute betreiben wir ein staatlich subventioniertes Entweichestudio nahe der Innenstadt, von etwas muss man ja schließlich leben, und auf diese Weise sind wir hundertprozentig sicher vor der Verwandtschaft. In meiner Freizeit widme ich mich meiner Sammlung alter "Mäppchen & Krokodil"-Comics, aus welchen ich zum Schluss den folgenden Reim zitieren möchte: "Gerät der Erdball auch ins Wanken, wir bleiben doch die alten!"

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