die wahrheit: "Das Ende Bayerns ist da!"

Edmund Stoiber räumt auf und beginnt mit der Totalliquidation des Freistaates.

Hier muss alles raus Bild: dpa

"Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Bayern,

mit Wehmut teile ich Ihnen allen mit, dass ich mich nach über 30 Jahren aus dem politischen Tagesgeschäft zurückziehe und mein Amt als bayerischer Ministerpräsident endgültig aufgebe. Ich kann einfach nicht mehr, es hat keinen Sinn mehr! Die geistige Gesundheit ist am Ende, und auch meine Frau ist nach sechs Operationen gesundheitlich angeschlagen. Traurig, aber wahr ist, alles muss jetzt endgültig aufgelöst werden - die endgültige Schließung der bayerischen Staatsregierung steht unmittelbar bevor! Infolge dieser Auflösung wird das gesamte Kabinett restlos liquidiert. Doch die Gesundheit meiner Familie und auch meine eigene ist mehr wert als jeder politische Erfolg. Ich kann und will daher am unwiderruflichen Ende meiner langen Ära als bayerischer Ministerpräsident nichts mehr ändern. Bei meinen vielen treuen und angenehmen Wählerinnen und Wählern möchte ich mich ein letztes Mal von ganzem Herzen für das mir entgegengebrachte Vertrauen bedanken. Wie sagte doch der Dichter:

Eine Kutsche voller schöner Sachen / Wird die Staatskanzlei jetzt bald verlassen. / Doch die Kutsche ist nur klein, / Nicht alles passt in sie hinein. / Ja, es ist nur schwer zu fassen. / Ich werde all die schönen Sachen / Meinen Wählern überlassen. / Zu fairen Preisen / Nicht groß, nicht klein."

Mit diesen wehmütig stimmenden Worten kündigte Edmund Stoiber, der Inhaber des höchsten bayerischen Amtes, einer bestürzten Stammwählerschaft seinen endgültigen Rückzug an. Da die totale Räumung der Staatskanzlei in Kürze abgeschlossen sein muss, haben Liebhaber gehobener Wohnkultur nur noch wenige Tage die Chance, in den bekannten Räumlichkeiten der bayerischen Staatsregierung das Schnäppchen des Jahres zu machen.

Es ist wohl die letzte Möglichkeit, hochwertige Ware so preiswert zu erwerben: In einer Not-Liquidation muss Edmund Stoiber den riesigen Bestand an repräsentativen Gastgeschenken aus aller Herren Länder verwerten. "Bis zum bitteren Ende geht hier alles raus! Notfalls verschleudere ich weit unter dem Wertgutachten! Hauptsache, es kommt Geld in die Kasse!", so der beliebte Liquidator. Wie schlimm es um den Regierungschef des Freistaates tatsächlich bestellt ist, teilte er den erschütterten Journalisten auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz mit: "Ja, es ist wahr. Ich schließe für immer. Drei Jahrzehnte sind genug für mich. Ein Raubüberfall mit Körperverletzung und das plötzliche Absacken Bayerns im Bundesländer-Ranking sind einige der Gründe hierfür. Bevor es für mich zu spät wird, habe ich mich zur vollumfänglichen Insolvenzverwertung entschlossen. Um so viel wie möglich zu liquidieren, habe ich höchstmögliche Preisreduzierungen vorgenommen. Profitieren Sie davon."

Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass am plötzlichen Ende der ruhmreichen Ära Stoiber neben den gesundheitlichen Problemen unschöne Drohungen aus der Landtagsfraktion und ein ehrverletzender Bericht im Bayernkurier nicht ganz unschuldig gewesen sein dürften. "Dass meine langjährigen 'Parteifreunde' in dieser für meine Familie ohnehin schon schweren Zeit auch noch mit Rücktrittsforderungen drohten, hat mich tief getroffen", so der versierte Politprofi. "Doch bevor diese Missgünstlinge ihren harten Worten auch noch Taten folgen lassen, will ich in dafür sorgen, dass von der endgültigen Aufgabe meiner Regierungsgeschäfte vor allem diejenigen profitieren, die diese über dreißigjährige Ära erst möglich gemacht haben: die Bürgerinnen und Bürger Bayerns!"

Eine über Jahrzehnte währende Tradition geht damit wohl unwiderruflich zu Ende. Die gesetzliche Frist zwingt den umtriebigen Instinktpolitiker zu drastischen Maßnahmen: Totalräumung ohne Rücksicht auf Verluste. "Es fällt uns nicht leicht, diesen Totalausverkauf durchzuführen, denn unser Herz hängt an Bayern, und wir fühlen uns der über 2.500 Jahre währenden bayerischen Brauchtumspflege verpflichtet. Aber Schluss - aus - vorbei! Kunstvollen Schmuck geheiligter Stätten, erhabene Zierde königlicher Paläste, aber auch fachlich hervorragend geschultes Personal vom Fahrer bis zum Ministerialdirigenten - alles das können Sie in diesem Totalausverkauf zu einem selten günstigen Preis erwerben."

Edmund Stoibers Entschluss scheint endgültig zu sein. Einer der Besten geht für immer! Die Eile zwingt ihn zum Äußersten, der Doyen der bayerischen Demokratie ist bereit, jedes noch annehmbare Angebot zu akzeptieren. Ob er allerdings das Angebot einiger letzter CSU-Getreuen annimmt, sein Gnadenbrot als Bundespräsident zu fristen, ist mehr als fraglich. In diesen Räumungstagen ist Edmund Stoiber zwar zu jedem erdenklichen Zugeständnis bereit, aber Berlin schreckt ihn noch immer. Traurig, aber wahr: Wenn der letzte Akt gespielt, der letzte Vorhang im vollumfänglichen Liquidationsvollzug gefallen, die rückhaltlose Räumung abgeschlossen ist, bedeutet dies wohl das endgültige Aus der bayerischen Politkompetenz.

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