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die wahrheitDer Herbst wird kölsch

Bundesregierung verlegt Karneval vor: Mit Schäuble & Schmidt in der Terrorbütt.

"Mit Allah und Helau für den Großmoscheebau!" Prinz Waltraud die Zweite sitzt am Küchentisch seiner Witzeschmiede in Köln-Porz-Wahn und feilt an der Schlusspointe einer Büttenrede. So etwas soll ihm erst mal einer nachtexten. Waltraud dichtet stets umgekehrt, also von hinten nach vorn. Erst die Pointe, dann die Heranführung. Wie das Reimwerk beginnt, stellt sich frühestens übermorgen heraus.

Prinz Waltraud die Zweite heißt mit bürgerlichem Namen Hanns Pütz. Noch vor zwei Wochen hätte sich "Schäng", wie ihn Nahestehende kosen, nicht im Vollrausch davon träumen lassen, welche Ehren auf ihn zukommen würden. Doch dann ging alles rasend schnell. Pützens Karnevalsverein hatte aus dem Bundesinnenministerium einen Anruf erhalten. Die kommende Session sei laut Kabinettsbeschluss schon im Frühherbst abzufeiern, Zustimmung des Bundestages reine Formsache. Man wolle neben die Trauer, die das Gedenken an die Ereignisse vor dreißig Jahren auslöse, modernen Frohsinn stellen. Blick in die Zukunft anstatt nur Gewühle im Vergangenen. Das Motto des Events stehe ebenfalls fest: Deutsches Herbstmärchen.

Im Klartext heiße das: Unverzüglich Dreigestirn wählen, die anderen Vereine seien bereits benachrichtigt, und der Kölner Prinz werde am 3. Oktober zur großen Schwäbischen Fasnet in der Stuttgarter Schleyerhalle erwartet. Dort habe er nach den Büttenreden dreier Altkanzler, der amtierenden Frau Bundeskanzler sowie des badischen Innensenators Schäuble die seinige abzuliefern.

Hanns trat an und gewann. Seitdem heißt es reimen, bis der Schweiß riecht. Nur noch wenige Wochen bis zum Auftritt in der Schleyerhalle, und dann wird von Waltraud der Zweiten Güteklasse A erwartet. Zunächst hatte sich der Prinz umgehört, wie sich die anderen Büttenredner auf den großen Tag vorbereiten. In der Zeit hat er zwei lustige Sätze gelesen, die Kollege Helmut Schmidt im Therapiegespräch mit seinem Altenpfleger di Lorenzo freigelassen hat: "Wir hatten alle genug Scheiße hinter uns und waren abgehärtet." Und: "Das Gefängnis Stammheim muss ein Saustall gewesen sein." Potzfickerment, hat sich Waltraud gedacht, wat füre jecke Schnüss, da muss ich mich aber ranhalten. Das Kontaktsperregesetz, so das närrische Nordlicht Schmidt weiter, sei demnach "völlig gerechtfertigt" gewesen, um zu verhindern, dass von den Anwälten der Häftlinge "Waffen ins Gefängnis geschmuggelt werden". Pütz war begeistert. Daran ließe sich anknüpfen: Stuttgart-Stammheim, der Hochsicherheitssaustall, in dem die High-Tech-Methoden Abtasten und Kofferaufmachen 1977 noch unbekannt waren.

Auch Wolfgang Schäuble bietet Prinz Waltraud allerlei Inspiration. In Fernseh, Web und Radio erzählt man sich die schrägsten Geschichten über die Pläne der exzentrischen Dame: Sechsjährige sollen gleich nach der Einschulung den Klassenkönig ausschießen; frischgebackene Strafmündige haben sich binnen drei Wochen nach ihrem 14. Geburtstag einer Implantation so genannter Bundesprozessoren zu unterziehen; Nachwuchs von mutmaßlichen Terroristen ist vorsorglich abzutreiben, es sei denn, ein Elternteil sitzt im Rollstuhl, denn in diesem Fall greift das Antidiskriminierungsgesetz.

Zwei Tagwerke später: Prinz Waltraud die Zweite lächelt zufrieden und macht sich ein Feierabendkölsch auf. Geschafft. Soeben hat er den Beginn seiner jecken Gedenkrede gedichtet. Er lautet: "Liebe Närrinnen und Narrhallesen! / Bin gestern auf dem Friedhof gwesen / Und wusste nit wie mir geschah / Als ich Folgendes dort sah: / Jubel, Trubel, Heiterkeit / Särge offen weit und breit / Baader grölte mit Herrn Springer: / 'Schäuble dreht die besten Dinger!' / Gudrun Ensslin frohlockte mit Strauß: / 'Der bläst dem System das Lichtlein aus!' / Nur Herr Ohn'sorg drehte stumm / Sich in seinem Grabe um."

Tätä!

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