die wahrheit: Ein bezaubernder Abend
Daheim bei den Schönen und Reichen - auf einer Party im Hause Elton Johns.
N eulich, es muss zehn oder elf Jahre her sein, war ich mit meiner Freundin Johanna auf einer Party bei dem international bekannten Popsänger Elton John, meinem neuen Nachbarn. Johanna wollte da erst gar nicht hingehen. "Die schmeißen uns da achtkantig wieder raus", sagte sie.
Mit Engelszungen redete ich auf Johanna ein, und es kostete mich meine gesamte rhetorische Kunst und Überzeugungskraft, sie zu überreden: "Ey, komm! Das wird bestimmt lustig." - "Es ist nicht lustig, rausgeschmissen zu werden", beharrte Johanna. "Wir sagen, wir sind Nachbarn und möchten uns über den Lärm beschweren", schlug ich vor, "und wenn wir erst mal drin sind, dann sehen wir weiter."
Heiterer Gesang, der Klang von Gläsern und glockenhelles Gelächter drangen von Elton Johns Anwesen zu meinem Landhaus hinüber. "Weißt du was?", sagte ich. "Wir packen auch noch eine Flasche Sekt ein, die können wir ihm schenken." Und wir marschierten los. Es war inzwischen tief in der Nacht, und als wir Elton Johns Prachtvilla hinter dem hohen Zaun sich erheben sahen, da wurde uns ganz mulmig zumute, und das hundertstimmige Gelächter all der schönen und reichen Menschen machte meine Ohrmuschel zart erröten. Doch mutig traten wir gegen das prachtvolle Tor. Es schwang auf, und wir betraten das Reich von Elton John. Sofort kam ein groß gewachsener und gutaussehender Sicherheits-Beamter auf uns zu, doch noch ehe er Johanna und mich am Hemdkragen packen und wieder hinauskatapultieren konnte, trumpfte ich auf: "Wo ist denn Elton John? Wir wollen ihm eine Flasche Sekt schenken!" Der Beamte stutzte und verschwand mit den Worten: "Wartet mal, den muss ich erst suchen."
Das Fest war durch abertausende Fackeln und Kerzen erhellt, ein gigantischer, beleuchteter Springbrunnen spendete Champagner ohne Grenzen. Ich fand schnell Anschluss, und es dauerte nicht lange, bis ich der Mittelpunkt der Party war und umringt von einem ganzen Pulk blendend aussehender Filmstars und Berühmtheiten, die nicht aufhören konnten, meine Schönheit zu preisen. Prinzessin Diana bat mich schüchtern um Kosmetiktipps, Johnny Depp raunte mir zu: "Bitte verzeihen Sie, dass ich es so unverblümt sage: Sie sind mit Abstand die schönste Frau, die mir in meinem ganzen Leben je begegnet ist. Und Sie haben großes Talent, das erkenne ich auf einen Blick." Und ich bezauberte sie alle mit meinem unvergleichlichen Charme und spritzigen Esprit. Die ganze Gesellschaft bog sich ununterbrochen vor Lachen über meine geistreichen Witze, und die Nachricht von der unfassbaren Scharfsinnigkeit meiner Konversation verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Menschen hingen an meinen Lippen, jeder wollte mit mir sprechen, ein Wort von mir aufschnappen oder auch nur mich berühren oder in meinem Dunstkreis wandeln.
Ich faszinierte gerade einen sehr netten, älteren Herrn namens George Clooney mit einer Geschichte, die ich in Las Vegas erlebt hatte. Mit einem tiefen Blick in seine stahlblauen Augen gurrte ich zärtlich: "Als ich in Las Vegas war, da habe ich im größten Hotel der Welt gewohnt, im MGM!" - "Das ist nicht das größte Hotel der Welt!", tönte es von ferne wie durch Watte. Ich war leicht verwirrt. Irgendwer hatte gerade gesagt: "Das ist nicht das größte Hotel der Welt." Zornig sah ich mich um. Wer hatte das gesagt, wer hatte es gewagt? Keines der Gesichter, die ich streng und forschend ansah, wies irgendwelche Symptome von Schuldbewusstsein auf. Also sagte ich noch einmal etwas lauter und schärfer: "Das MGM in Las Vegas ist mit Abstand das größte Hotel der ganzen Welt!" - "Nein, ist es nicht. In Moskau gibt es ein Hotel, das ist noch viel größer." Das war Elton John. Es war Elton John, der mir gerade widersprochen hatte und mich nun mit einer elegant geschwungenen, hochgezogenen Augenbraue fragend ansah. Ich scheine eine magische Anziehungskraft auf Prominente auszuüben. Für einen Augenblick fühlte ich mich ertappt, aber ich war inzwischen viel zu beliebt, um noch hinausgeworfen werden zu können.
Was Moskau anging, konnte ich nicht mitreden, so viel war klar. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie in Moskau gewesen. "Doch!", beharrte ich. "Doch! Das MGM ist das absolut größte Hotel der Welt!" - "Das MGM ist noch nicht mal das größte Hotel in Las Vegas", sagte Elton John, "Das Excalibur ist viel größer." Das war selbstverständlich Unfug, und ich überlegte für den Bruchteil einer Sekunde, ob ich Elton John in Verlegenheit bringen sollte, durch einen Beweis, aber das hätte auf die anwesenden Zaungäste etwas prahlerisch wirken können. Immerhin war Elton John ja der Gastgeber, und es hätte mir wehgetan, ihn vor seinen anderen Gästen bloßzustellen. Also schluckte ich mein besseres Wissen einfach herunter und verhielt mich ruhig. Elton John bemerkte meine großzügige Geste, entspannte sich und räumte ein: "Na ja, vielleicht hat das MGM ja inzwischen angebaut."
Der Hufschmied des Pferdes, das in "Herr der Ringe" den Gandalf getragen hatte, tauchte noch kurz auf und erklärte, dass die Strommasten, die über der Party gespannt waren, unser aller Gedanken manipulieren würden und deshalb abgeschraubt werden müssten. Unter großem Hallo wurden also sämtliche Strommasten, die irgendwie zu Fuß zu erreichen waren, umgeworfen.
Zuletzt waren nur noch Johanna und ich auf der Party, alle anderen Gäste waren bereits nach Hause gegangen. Als wir dann schließlich auch leider endgültig gehen mussten, da räumte Elton John gerade den Party-Müll auf und zusammen. Er schenkte uns mit nobler Geste für den Heimweg zwei Gartenfackeln, damit Johanna und ich unterwegs nicht noch stereo auf die Fresse fielen. Ein netter Mann, dieser Elton John.
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