die wahrheit: Die kranke Insel
Der Engländer an sich ist ein krankes Volk. Fast 2.000 Menschen sind zu fett zu arbeiten, monierte die Times. Damit der Leser versteht, wovon die Rede ist, ...
Der Engländer an sich ist ein krankes Volk. Fast 2.000 Menschen sind zu fett zu arbeiten, monierte die Times. Damit der Leser versteht, wovon die Rede ist, hat man den Artikel mit einem dickbäuchigen Torso in Trainingshose illustriert. Die faulen Pummel haben im vergangenen Jahr 4,4 Millionen Pfund Beihilfe kassiert, empört sich das Blatt.
Die Times hat sich die Statistiken beschafft. Demnach kassieren 2,7 Millionen Menschen insgesamt 7,4 Milliarden Pfund Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Zahl hat sich seit 1979 verdreifacht. Medizinisch schwer nachweisbare Krankheiten treten heutzutage doppelt so häufig auf wie noch vor ein paar Jahren. Die Palette ist breit: 480 verschiedene Diagnosen hat das Blatt gezählt, darunter Depressionen, Stress, Kopfschmerzen, Müdigkeit und "unbekannte Krankheiten". 60 Menschen können wegen kaputter Fußnägel nie mehr arbeiten, meldete die Times höhnisch. Auffällig sei auch die hohe Zahl von Leuten mit Schwindelgefühlen. Das Blatt vermutet, dass sie schwindeln.
Die Regierung hat bisher ohne zu murren bezahlt, um die Arbeitslosenstatistik aufzuhübschen, glaubt die Times. Solange das Erwerbsunfähigkeitsgeld höher sei als die Arbeitslosenhilfe, könne man den Leuten nicht verübeln, dass sie das System ausnutzen. Für die Sun, jenen bedruckten Jauchetopf, ist das alles dagegen ein "kranker Witz".
50 Menschen sind dauerhaft erwerbsunfähig, weil sie Akne haben. "Zum arbeiten zu picklig", macht das Boulevardblatt daraus. Und die 380 Menschen, die wegen Hämorrhoiden nicht arbeiten können, sollten den Arsch versohlt kriegen, verlangt die Sun. Diese "Krankmeldungskultur" sei jedenfalls eine Schande.
Aber nun will Arbeitsminister Peter Hain eingreifen. "Zurzeit sitzen viele Leute zu Hause und glauben, sie seien unvermittelbar", sagte Hain. "Deshalb verändern wir das System." Die Kürzung der Beihilfen ist der einzige Bereich, in dem die Labour-Boulevardregierung noch systemverändernde Ambitionen hat. "Wir konzentrieren uns darauf, was die Menschen können - und nicht darauf, was sie nicht können", meinte Hain. Dieses Kriterium sollte man auch für Politiker einführen. Matthew Elliott, der Geschäftsführer beim Verband der Steuerzahler, diagnostizierte, dass viele Antragsteller die Gutmütigkeit ihres Arztes ausnutzen. Es sei aber ein großer Unterschied, ob jemand nicht in der Lage sei, oder ob er keine Lust habe, zu arbeiten. Der Mann weiß Bescheid.
Bisher wurde die Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt, wenn der Antragsteller weder 400 Meter ohne fremde Hilfe laufen oder eine halbe Stunde lang stehen, noch eine Stunde lang sitzen oder zwölf Stufen hinaufgehen konnte. Künftig soll lediglich überprüft werden, ob er mit Tastatur und Computermaus umgehen kann. Hain erwartet, dass die Hälfte aller Antragsteller diese Prüfung bestehen wird beziehungsweise durchfallen und die Beihilfe verlieren wird, frohlockt die Sun: "Nehmt euch in acht, Drückeberger! Euer Leben auf Stütze geht zu Ende!" Das Leben der Sun dagegen leider nicht.
Die Londoner Regierung hat noch ganz andere Pläne, um die Nation gesundheitlich auf Vordermann zu bringen. Dazu mehr nächsten Montag.
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