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die wahrheitGünther Beckstein bekommt den Karl-Valentin-Orden

Das habe ich nicht gewollt!

Die grässlichsten Dinge erfährt man immer aus dem Fernsehen, und zwar aus dem schwarzblauen Bayerischen.

Das Münchner Institut für volkliche Nabelschau quält uns seit einigen Wochen mit einem neuen Format, dem "Sonntags-Stammtisch", einer Talkshow, die "im Wirtshaus der TV-Ortschaft Lansing bei Dachau" produziert wird, "bayerisch, bissig, bunt" sein soll und ab elf Uhr morgens eine derart widerwärtige Suppe aus rotierender Dumpfbackigkeit, aggressivem Spießertum und ungehemmt voranstiefelnder Demenz ausschüttet, dass man gut daran tut, einen Spei-Kübel parat zu halten.

Das keramikdoofe Gegacker darf selbstverständlich kein anderer als der Staubwedel des deutschen Gossen- und Gagajournalismus moderieren, der Plumpsquoddel Helmut Markwort, dessen Schmerschmierantentum hier wieder mal aufs Allerschönste zur Geltung gelangt. Noch heute ist mir schleierhaft, wie ich vor Jahren auf der Buchmesse eine Zufallsbegegnung mit Markwort an Geist und Seele unbeschadet überstanden habe.

Vorletzten Sonntag allerdings wäre ich fast durchgedreht. Zu Gast bei Markwort war auch der neue bayerische Ministerkönig Günther Beckstein, und als das schlammige Geschwätz auf sein Ende zuschlitterte, gab der Focus-Fasler bekannt, der Low-and-Order-Mann erhalte im Januar 2008 den: Karl-Valentin-Orden.

Gut, Ede Stoiber bekam ihn 1996, Franz Josef Strauß bekam ihn 1977 verliehen, den KVO, und insbesondere im Falle des Schwabinger Metzgersohnes Strauß war das durchaus berechtigt, hatte der Atombomben- und -busenfan doch nicht bloß von 1949 an im bayerischen Kulturauftrag die Bundestagskantine leergesoffen, sondern auch unermüdlich "die Kunst der sachlich gebundenen Aussage in volksnah-kraftvoller Formulierung" fortentwickelt, wenn er etwa herumdröhnte: "Ich bleibe jederzeit nur im deutschen Bundestag und in Europa, wenn das Ziel diesen Weg besser erscheinen lässt." Oder: "Ich halte bei mir für wichtig die Tatsache meiner Geburt."

Aber Beckstein, der Kamerad vom Dienst an der Verödung der deutschen Sprache, erhält den Karl-Valentin-Orden? Dieser trübste aller trüben Maßkrüge? Dieser mit Maulstarre auf die Welt gekommene Hersbrucker Holzkopp? Auf den wie auf keinen Zweiten das Urteil des alten Beleidigers Herbert Wehner zutrifft: "Sie sind doch so klug, dass Sie sich auf die Verkehrsdebatte beschränken sollten"?

Ich war fassungslos, und als Markwort erläuterte, Beckstein werde mit jener Auszeichnung, die an ein veritables Menschheitsgenie erinnert, behängt, weil er im Zuge der Stoiber-Ablösungswirren geäußert habe: "Das Tolle an der Politik ist, dass alles möglich ist, aber auch das Gegenteil von allem" - musste ich, Pardon: kotzen.

Denn daran, dass dieser - ausnahmsweise komische - Beckstein-Satz überhaupt bekannt ist, bin ich schuld. Ich habe ihn während meiner Recherchen zu dem Hörbuch "Stoibers Vermächtnis" im Februar dieses Jahres in einem unendlichen Wust an Radioarchivmaterial entdeckt und dann auf der CD verewigt. Und weil "Stoibers Vermächtnis" zum Bestseller wurde, wird Günther Beckstein nun KVO-Träger. Das habe ich nicht gewollt. Heiliger Karl Valentin, verzeihe mir!

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