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die wahrheitRauchende Köpfe

Früher, sagte einer, der Heiner heißt, früher hätte er keinen Satz zu formulieren gewagt, der mit "früher" anhebt.

Früher, sagte einer, der Heiner heißt, früher hätte er keinen Satz zu formulieren gewagt, der mit "früher" anhebt. "Früher" sei ein "Retrofanal", nach Fäulnis riechend, zu ranzig, um anzuheben, um angehoben zu werden.

"Mag am Alter liegen, Alter", sagte ich in meiner Eigenschaft als Fußnotenabtreter. Es sei denn, fuhr Heiner unbeirrt fort, man pumpe "Früher"-Sätze im Unterton gefälliger Ironie auf. "Früher"-Sätze der ersten Kategorie, mithin die ernsthaft oder wehklagend klingenden, entlarvten - "vermeintlichen!" - Nörgler, Grantler, Nostalgiker, Verderber des - "welch Grauenswortblock!" - positiven Denkens. Kurzum: "Früher"-Sätze gälten für mehr als ein Indiz, nämlich als Symptom.

Anstatt einen weiteren Kommentar auszusenden, schlug ich vor, in ein Wirtshaus zu schlendern, wohl wissend, dass ich früher keine Geschichte erzählt hätte, die in einer Kneipe anhebt oder in eine zu kippen droht.

Apropos Kippen. Früher, überlegte ich, früher hätte ich nichts zum ubiquitären Rauchverbot erzählt, schätze, weil so etwas abseits jeglicher Zukunftsfiktion gewesen wäre, unvorstellbar. Sondern Ausgeburt einer absurden Groteske. Nun wiederum wollte ich nicht der Dreihundertdreiundzwanzigste sein, der Satirisches dazu verzapft.

Wie dem auch sei: Im Innern des Wirtshauses wünschte ich mir, Ziel wäre ein Tanzlokal gewesen. Dann hätte ich vor dem absehbaren Exkurs folgenden Vokalklang erzeugt: Wir legten eine flotte Sohle aufs Parkett, hernach ne kregle Seele aufs Schafott. Parias wie uns expediert die Diktatur des Rauchverbots neuerdings ins Freie, das uns an jenem Abend frostigkühl empfing. Vulgäre Schmaucher treten raus in ein unkompliziertes, komplizenhaftes Dasein, in eine schmokend verschworene Gemeinschaft.

Die Plauderei quoll über gleich dem wackelnden Aschenbecher zwischen uns. Bibbernd zunächst meinte Heiner, nun würde der Raucher an sich, heimisch in diversen Statistiken, nicht mehr an Lungenkrebs, sondern an Lungenentzündung zugrunde gehen. Wärme entfaltete daraufhin ein Heizpilz - auch so eine Wortprägung, an die man sich ungern gewöhnt.

Einer verwies auf den Titel jenes Theaterstücks, in der Nachkriegszeit zum geflügelten Wort geworden, nun staffiert mit ganz anderer Bedeutung: "Draußen vor der Tür". Einer schloss wehmütig die nächste Reminiszenz an, würdigte jene Ära der Zigarettenwährung, eine Sternstunde der Zichte, als sie zum Maß aller Dinge geworden war.

Schließlich bestellte einer je drei Gläschen Jonge Genever. Wir stießen an auf das Wohl eines produktiven Triumvirats wackerer Raucher, tranken im Gedenken an George Tabori (1914-2007) und Kurt Vonnegut (1922-2007) und grüßten den Universalgelehrten Paul Parin, geboren 1916, der in Zürich lebt und "nie unter 20, selten über 30 Zigaretten" am Tag raucht. Eines seiner Bücher heißt "Fürchte deinen Nächsten wie dich selbst", eines "Die Weißen denken zu viel".

Früher hätten Heiner und ich danach am Exposé eines Essayfragments geskribbelt, Arbeitstitel: "Fürchte die Weißen, die gedankenlos eine Genuss-Kultur vern ..." Man lernt aber auch zu verzichten. Und rein zum Vergnügen zu rauchen.

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