die wahrheit: Schaltis schönster Geburtstag
Bislang feierte der kleine Schalti alle vier Jahre am 29. Februar sein Ehrenfest - künftig wird das anders sein.
Nach vier Jahren war es endlich wieder so weit: Schalti, der Schalttag, konnte Geburtstag feiern! Schalti war außer sich vor Glück, klatschte in die Hände und sang vor Freude und Aufregung. Das durfte er auch, denn er war schließlich der Benjamin unter den 366 Tagen, das Küken, das Fohlen, das Nesthäkchen. Alle anderen waren viermal so alt und schauten mit freundlicher Nachsicht zu, wie Schalti herumalberte, lachte und tanzte. Sie achteten nur darauf, dass er dabei immer hübsch auf seinem Platz blieb, sich nicht etwa unbemerkt irgendwo im Kalender herumtrieb und einen Schabernack trieb mit den anderen 365 Tagen.
Lediglich der alte 9. November hockte miesgelaunt in seiner grauen Schmuddelecke und meckerte unentwegt über die verdammte Gleichschaltung und darüber, dass früher alles besser oder schlechter oder was auch immer gewesen sei und dass die Jugend von heute ... - aber niemand hörte ihm zu.
Und Schalti hatte sowieso an seinem Ehrentag gar keine Zeit für miesepetrige Tage. Denn Schaltis größter Wunsch war in Erfüllung gegangen. Sein guter Patenonkel, der mächtige 1. Mai, hatte ihm endlich eine Karte für ein Spiel seines Lieblingsvereins besorgt: Schalti 04. Da jauchzte Schalti, denn er war schon ein großer Fan des Revierklubs, der am 29. Februar 1904 gegründet worden war. Deshalb wurde Schalti 04 auch nur selten deutscher Meister. Aber das machte Schalti nichts aus, denn er hatte ja auch selten Geburtstag.
Fast noch größer war die Freude, als Schalti von seinem gestrengen Lehrer, dem weißbärtigen 24. Dezember, ein besonderes Geschenk bekam: seine erste Schaltuhr. Schalti hüpfte vor Freude in die Luft und kriegte sich gar nicht mehr ein. Denn das bedeutete ja, dass er nun den lieben, langen Tag alles nach Herzenslust ein- und ausschalten konnte - und was er beim besten Willen nicht ausschalten konnte, das durfte er sich für später aufheben. Schalti fiel dem 24. Dezember um den Hals, der seine Rührung kaum verbergen konnte.
Dann allerdings stockte allen anwesenden Tagen kurzzeitig der Atem. Denn Silvester, der ewig jung gebliebene und flippige 31. Dezember, überreichte Schalti ein Geschenk, das in die Annalen der Kalenderzeit eingehen sollte: eine Maschine, die schnell wie der Schall war. Schalti konnte sein Glück gar nicht mehr fassen und staunte nur über die schallgedämpfte silbrige Außenhaut der rasanten Zeitmaschine, die ihn in Schallgeschwindigkeit voranbringen würde. So würde er nicht mehr nur alle vier Jahre Geburtstag feiern, sondern nach Adam Schall in spätestens 22 Jahren schon das selbe Tempo wie die anderen Tage haben, ja endlich gleich alt sein. Jetzt war sich Schalti ganz sicher: Der 29. Februar 2008 war sein allerschönster Geburtstag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!