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die wahrheitOrchidee der Liebe

Das geheime Tagebuch der Carla Bruni. Heute: Der Pakt mit dem Zirkusteufel.

Pop und Politik feiern einander und ihren Erfolg im Palast: die Première Dame und ihr kleiner Präsident. Bild: ap

Mon cher journal intime …

Wir haben im Moment überhaupt kein Privatleben. Nici ist nur noch Präsident, und ich weiß vor lauter Interview- und Fototerminen gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Wir sehen uns eigentlich nur noch, wenn einer von uns im Fernsehen auftaucht. Im Gegensatz zu mir, die ich ja kaum mehr tue, als mich um mein Orchideenthema - die Musik, die Kunst - zu kümmern, ist Nici aber doch stark angespannt. Letzte Nacht hat er im Schlaf gesprochen. Es muss ihm wahnsinnig zusetzen, dass Obama sich an die Merkel ranschmeißt und nun die große Kennedy-Show abzieht. Anders kann ich es mir nicht erklären, minutenlang hat er gefaselt: "Isch bin ein Berlinär! Isch bin die Berlinär! Go back into your cabin! Ami go home!"

O, ich freu mich so! Ich bin so froh, auf Ben (Benjamin Biolay, Musiker, Anm. d. Red.) gehört zu haben. Es war seine Idee, die Platte vorab ins Netz zu stellen. "Das ist die Demokratisierung der Kultur" hat er gesagt. "Die Menschen werden dich dafür lieben, dass du sie teilhaben lässt." Wie recht er hatte! Die Medien sind einhellig begeistert. Alle legen es als Zeichen meines Großmuts aus, dass ich gebe. Schenke. Was für eine clevere, clevere Idee! Von Nicis Pappnasenberatern kam so was Tolles natürlich nicht. Mehr als eine Verlosungsaktion bei Inter-Marché und die CD als Dreingabe beim Kauf von zwei Kisten Taittinger (Champagner, Anm. d. Red.) ist denen nicht eingefallen.

Nici will, dass ich mit nach Peking zur Eröffnung der Spiele fahre. Ich weiß nicht, wie er darauf kommt, ich würde so etwas unterstützen! Wir haben uns ziemlich in die Wolle bekommen, schließlich bin ich nicht nur eine Linke, ich bin auch Menschenrechtsaktivistin. Also, im Herzen. Er steht aber auf dem Standpunkt, es sei legitim, die wirtschaftlichen Interessen seines Landes in den Vordergrund zu stellen und im Übrigen sei es dort gar nicht so schlimm. Basta.

Wenn "Basta!" kommt, weiß ich, dass Reden nichts mehr hilft. Also habe ich zum Mittagessen - Nici speist mittwochs meist mit mir hier zu Hause - die sieben Chinesen aus der Wäscherei im Keller des Palastes holen lassen, ihnen Gaffa-Tape auf den Mund geklebt, ihre Hände auf dem Rücken zusammengebunden und jeweils ein Schild mit den aktuellen Zahlen politischer Gefangener und so Zeugs um den Hals gehängt. So habe ich sie aufmarschieren lassen, als mein lieber Mann gerade bei beim Garnelenschälen war. Zum Glück sind sie alle furchtbar blass, schlecht ernährt, verschwitzt und hatten diverse Verbrennungen an den Armen. Da hat er gesagt: "Na gut." Ich bin vor Erleichterung wie ein kleiner Floh um ihn herumgehüpft.

Er hat dann auf den Nachtisch verzichtet und wir hatten zehn Minuten hinter der Tapetentür. Mehr brauchen wir auch nicht. Dummerweise hatte niemand den Chinesen gesagt, dass sie wieder gehen können, und so haben sie die ganze Zeit zugehört.

Donnerstag, 10. 7. 2008

Heute hat schon wieder das Internat von Aurélien (Brunis siebenjähriger Sohn, Anm. d. Red.) angerufen. Mein Kleiner macht totale Zicken. Er hat schon wieder versucht, auszubrechen, um nach Hause zu fahren. Ich habe Maman angerufen. Ich kann mich momentan nicht um so was auch noch kümmern. Vielleicht kann sie ihn ein paar Wochen zu sich nehmen, es sind ja Ferien.

Freitag, 11. 7. 2008

Eric (Clapton, Anm. d. Red.) hat mir geschrieben. Es ist das erste Mal seit wohl zwei Monaten, dass er sich meldet. Er hat mir zu dem Album gratuliert und gesagt, dass es gar nicht so schlecht sei. Er hat sich entschuldigt für die vielen Aussetzer, die er hatte, und seine Übergriffe. Er schreibt, dass es ihm recht gut ginge und er die Anstalt in wenigen Tagen verlassen würde. Er hat das Angebot aus Nord-Korea angenommen und wird für ein paar Wochen dort auf Tour gehen. Das freut mich für ihn. Ich merke, dass es auch mir guttut, wenn es ihm besser geht, und ich ihm dann auch nicht mehr grolle.

Dabei fällt mir ein, dass es einen wunderschönen Moment mit Joseph gegeben hat, den ich ja eigentlich nicht mehr treffen wollte. Aber ich kann es nicht lassen. Er zieht mich magisch an. Das ist stärker als jedes kolumbianische Kokain. Wir hätten uns fast geküsst. Dass es dazu nicht kam, ist nur meiner enormen Willenskraft zu verdanken, es mal eine Zeit lang nur mit einem auszuhalten. Es ist wie eine Durchhalteübung beim Yoga. Ich atme das Begehren einfach weg.

Samstag, 12. 7. 2008

Die Medien überschlagen sich! Natürlich finden sie die Platte nicht so doll, und ich denke ja auch, dass die Kritiker recht haben, wenn sie sagen, das Album wirke belanglos. Aber das ist ja alles vollkommen egal. Fakt ist der, dass sie einhellig sagen, dass es so etwas wie mich und das Phänomen Carla Bruni, diese Mischung aus Pop und Politik, die Konvergenz, der Auflösungsprozess von Grenzen und Sujetbeschreibungen noch nie gegeben hätte. Ich glaube, es ist das, was ich immer gewollt habe: über allem stehen. Erhabenheit. Ikone sein. Wenn es dazu von Nöten ist, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen, und hier diesen Première-Dame-Zirkus mitzumachen, nun denn. Ich habe weder mein Lachen noch meinen Schatten verkauft. Nur meine Freiheit. Und die hole ich mir schon noch wieder. SILKE BURMESTER

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