die wahrheit: Der Strippenmeister
Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Michael "Müller" Glos.
Im Kabinett ist er nur eine graue Nummer, und im Grunde ist ihm seine Arbeit ein spanisches Dorf. Nur zu gern würde Michael Glos das Bundeswirtschaftsministerium an den Nagel hängen! Er ist doch kein norddeutscher Eierkopf mit lauter Volkswirtschaftslehre im Gehirn, sondern ein geborener Müllermeister, noch dazu aus Unterfranken, ausgestattet mit zwei rechten Händen!
Gut, solange er sich in seinem Ministerbüro hinter einer schön aufgeblähten Unterschriftenmappe verschanzen kann und die Sekretärin alle Besucher, selbst wenn sie mit festen Terminen wedeln, mit lächelnder Stimme abwimmelt, geht es noch an. Aber wenn sich eine Pressekonferenz vor ihm auftürmt und er in lauter fremde Gesichter hineinreden muss! Klar, er spricht dann extra langsam, damit er sich selbst folgen kann und die Worte nicht seine Gedanken überholen. Unter den Journalisten in Berlin gilt bereits "1 Glos" als Maßeinheit für die Sprechpause zwischen zwei Buchstaben.
Trotzdem verwechselt der Minister dann Wirtschaft und Würzmischung, hält eine Baisse für eine Bouillon und ist zuerst, wie 2005 als frisch gebackener Minister, für steile Lohnerhöhungen, weil mehr Geld den Leuten mehr Geld in den Beutel bringt, später jedoch lieber dagegen, weil das ja umgekehrt die Unternehmen nacktes Geld kosten würde. In solchen Momenten fängt dann die Presse an zu tuscheln, und Glos fühlt selber, dass er zu viel Luft im Kopf hat. Dann sehnt er sich sogar ins Kabinett zurück! Dort gähnt er sich zwar in der Regel durch die Sitzungen, doch manchmal passiert es, dass er und sein Intimfeind Olaf Scholz zum Entzücken der anderen heftig aufeinander loskeilen. "Mindestlohn ja!", ruft Scholz, "Mindestlohn nein!", pariert Glos, "Mindestlohn ja!!", beharrt Scholz stur, "Mindestlohn nein!!", widerlegt ihn Glos, "Mindestlohn ja!!!", bleibt Scholz unbelehrbar, "Mindestlohn nein!!!", wehrt Glos unnachsichtig ab - bis alle Sicherungen platzen und die beiden Kampfgockel beißend und schimpfend durch den Saal kugeln.
Oder er kabbelt sich mit Sigmar Gabriel, bringt gleich Anfang 2006 den Vorschlag aufs Trapez, die Atomkraftwerke am Brummen zu halten, und behauptet im April 2007 sogar, der Klimatod trete ebenso wenig ein wie das Waldsterben. Das Eis in Grönland werde nicht abbrennen, das Meer nicht immer dicker, und was die Temperatur betreffe, könne es draußen gar nicht wärmer werden als jetzt schon in seinem Oberstübchen. Dann ruft Gabriel aber trotzig: "Klimaschutz ja!", Glos pariert mit "Klimaschutz nein!!", "Klimaschutz ja!!", beharrt Gabriel stur, "Klimaschutz nein!!", widerlegt ihn Glos und so weiter, bis sich beide und so fort …
Und sonst? Von der hoch und heilig austrompeteten Kfz-Steuerreform hat niemand mehr ein Mucksmäuschen vernommen, und vom laut besungenen Kohlekompromiss wissen die Leute heute schon nicht mehr, was das überhaupt ist - er wusste es schon damals nicht. Wozu auch? Wirtschaftsminister wurde er doch bloß, weil Edmund Stoiber im Herbst 2005 kalte Eier bekam und wie ein geölter Blitz davonhopste. Weil Glos gerade Maulaffen feilbietend herumstand, fiel der Zeigefinger der Merkel auf ihn.
Er macht ja gute Miene zum sauren Spiel und versucht täglich, sich in sein Ministerium hineinzudenken. Aber das dauert, denn da gibt es rätselhafte Abteilungen wie "Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik" (aber wären die Antworten nicht wichtiger?), "Gesetzliches Messwesen" (aber wie kann man denn Gesetze messen?) oder "Afrika südlich der Sahara" (aber wo liegt das?).
Immerhin hat er schleunigst seinen Freund Joachim Würmeling zum rundum beamteten Staatssekretär ernannt, seinen Intimus Ernst Hinsken als "Tourismus-Beaftragten der Bundesregierung" installiert und Weggefährten wie dem Mittelstandslobbyisten Hartmut Schauerte oder der früheren Miss Germany Dagmar Wöhrl ein paar Posten zugeschubst. Was soll man denn tun, wenn man so viele Vettern hat!
Als Strippenmeister der CSU war Glos, der seit 1976 im Bundestag das Spiel von der Sohle auf erlernte und seit 1993 als Leiter der CSU-Landesgruppe die Fäden zog, schon zuvor hervorgestochen. Eingetreten in die Partei war er 1970, weil die sozialliberale Koalition den Mittelstand ausradieren wollte und er als Mühlenbesitzer das rote Gespenst einer Kollektivierung der Mühlenwirtschaft bekämpfen musste. Später kamen auch die grünen Dämonen auf seinen Kieker, musste er Fischer und Trittin als "Ökostalinisten" und "ehemalige Terroristen" öffentlich zurechtschnauzen. Da das ziemlich starker Kaffee war, verzichtete er im Gegenzug darauf, christlich-demokratisch umfrisierte Nazis roh als "ehemalige Völkermörder und Kriegsverbrecher" jemals zu verpfeifen; oder auch bloß mal vor den knotendoofen Republikanern und Rechtsextremisten zu warnen. Sondern lieber hupte er 1993 Alarm vor der brutalbolschewistischen PDS und votierte 2000, als Haiders FPÖ einen Zipfel der Macht ergriff, gegen den EU-Boykott des Alpenlandes, wofür er prompt einen sackschweren Orden aus Österreich erntete. Das passt zu einem mit zwei rechten Händen!
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