piwik no script img

die wahrheitEnde einer Rockstar-Karriere

Da hilft alles nichts: Es ist aus, wenn der Ekel des Rezensenten aus jeder Zeile schmaddert.

Mitte der Achtzigerjahre verknotete sich Friedrich "Pfaffe" Pfäfflin an der Leadgitarre einer mehr oder minder erfolglosen Heavy-Metal-Band. Sie spielten in Gefängnissen, Suchtkliniken, Kanalisationen, aber niemals auf den Partys ihrer Freunde, weil sie sich nicht durch übertriebenes Touren aufreiben wollten und weil sie keiner fragte.

Und dann hatten sie plötzlich einen Plattendeal. 3sat sendete einen Konzertmitschnitt, sie gingen ins Studio, nahmen ein Album auf, aber als es endlich erschien, wurde der A&R-Manager "Hank", der sie eingekauft hatte, mit Schimpf und Schande in die Sümpfe gejagt. Der Verdacht lag nahe, dass es ihretwegen geschehen war. Aber das Label verneinte nachdrücklich und schickte eine Kiste Amselfelder ("Könnt ihr ja Glühwein draus machen, ist ja bald Weihnachten!"), um seinen unbeirrten Glauben an die Band zu demonstrieren.

Als dann jedoch die erste - und auch letzte - Besprechung in dem damals maßgeblichen Organ Metal Hammer erschien, beschloss nämliche Firma, etwas defensiver zu agieren. "Am besten, ihr denkt einfach gar nicht mehr an die Platte, wir machen es genauso", lautete der weise Ratschlag im letzten klärenden Telefonat.

"Ach Jungs, und eins noch … Die Sache mit Hank … Wir wollten nur nett sein." Die Besprechung im Metal Hammer hätte sich Pfaffe auch ausgeschnitten, wenn nicht ihre Platte Thema gewesen wäre, weil er so etwas vorher noch nie gelesen hatte. Der Ekel des Rezensenten schmadderte aus jeder Zeile, er war sehr überzeugend.

Fünfzehn Jahre später schrieb Pfaffe einen Roman, der seine Erlebnisse mit der Band in für sich durchaus günstigem Licht darstellte, deshalb macht man das ja, und ließ auch einen torfköpfigen, hanfsäckligen Musikkritiker auftreten, der das von Gott gegebene Ingenium der Romanhelden nicht zu ästimieren, ja, nicht einmal ansatzweise zu checken imstande gewesen sei. Pfaffe zitierte auch ein paar Sätze der vorgestrigen Kritik, die sich so komplett aus dem Zusammenhang gerissen naturgemäß lasen, als sei der Autor nicht ganz richtig im Kopf, und dessen Romandeckname "Michael Prömmsel" sollte dies unterstreichen. Eine Art Gleichgewicht war hergestellt.

Der Roman erschien, Pfaffe heiratete und fuhr mit seiner Frau in die viertägigen Flitterwochen an die Nordsee, damit war der Verlagsvorschuss abgefeiert. Am letzten Tag entdeckte er zufällig ein Internetcafé und sah seine Mails durch. Die erste stammte vom Verlag, der sich sehr enttäuscht über die geringen Absatzzahlen zeigte. Aber dann öffnete er die zweite Nachricht. "Michael Prömmsel hier", hieß es dort zur Begrüßung.

Und tatsächlich, der Mann, der Pfaffes Rockstarkarriere kaputtgeschrieben hatte, gehörte zu den weniger Käufern des Buchs. "Prömmsel" hatte sich wiedererkannt, anschließend beim Verlag dessen Adresse erfragt und schlug nun vor, das Kriegsbeil zu begraben, obwohl ihm schon beim Gedanken an die Musik, die er, Pfaffe, mit zu verantworten habe, die "kalte Kotze" hochkomme.

Pfaffe nahm das Friedensangebot an. Sie wurden enge Freunde. Es entspann sich ein äußerst florierender Mailwechsel, in dessen fortgeschrittenem Verlauf Prömmsel eine Rezension des Buchs im mittlerweile maßgeblichen Organ Rock Hard in Aussicht stellte. Die erschien dann auch, und der Veriss las sich einmal mehr recht plausibel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!