die wahrheit: Das Imperium gebührt zurück
Erst wollte die Deutsche Bahn einen Bedienzuschlag, dann doch nicht. Was kommt nun?
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Die 2,50 Euro Beratungsgebühren pro Strecke scheinen vom Tisch, und Bahndeutschland atmet auf. Noch aber wissen die meisten Bahnkunden nicht, dass der oberste Triebtäter der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, schon an neuen Ideen für eine Bahn nach seinem Geschmack feilt. Vorab wurde der Wahrheit jetzt exklusiv Mehdorns Zehn-Punkte-Katalog zugespielt. Zehn Paragrafen sind es, die das Land völlig verändern dürften - weit über alle Bahndämme hinaus …
§ 1 Für Hochgeschwindigkeitszüge (ICE, IC, EC, Thalys) wird ein Beschleunigungszuschlag eingeführt. Je 10 km/h Mehrgeschwindigkeit wird pro Fahrgast ein Aufpreis von 10 Euro erhoben.
§ 2 Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2008 kommt es im ICE-Verkehr zum erstmaligen Einsatz von Zirkusgitterwaggons, in denen im Rahmen kostenpflichtiger Veranstaltungen Politiker ausgestellt werden, die in der Vergangenheit mit bahnchefkritischen Kommentaren aufgefallen sind.
§ 3 In allen Zügen der Deutschen Bahn AG werden zwischen den Wagen Personenvereinzelungsanlagen mit wechselseitiger Drehkreuzmechanik installiert. Pro Passage fällt eine Gebühr von 1 Euro an.
§ 4 Türöffnungsvorrichtungen zum individuellen Ausstieg werden sukzessive durch die Montage von Notbremsen ersetzt. Notbremsen dürfen allerdings nur noch an Großbahnhöfen betätigt werden. Für deren Nutzung gelten die aktuellen Tarife.
§ 5 Kinder-, Familien- und Schwerbehindertenabteile werden zu Andachtsräumen umgerüstet, in denen religions- und konfessionsübergreifend Fürbittgebete gesprochen werden können. Die Verehrung Hartmut Mehdorns gilt als verbindlich (siehe auch § 10).
§ 6 Die Bahnsteigkarte wird wieder eingeführt und ab einem Umkreis von fünf Kilometern im Halbmesser um eine Bahnanlage verpflichtend. Als Bahnanlagen gelten nicht nur Bahnhöfe, sondern auch alle freien Strecken. Bahnsteigkarten kosten jeweils so viel wie eine Rückfahrkarte erster Klasse vom nächstgelegenen Bahnhof zum entferntesten Zielbahnhof des DB-Streckennetzes in Deutschland.
§ 7 Das Verbot des Blumenpflückens während einer Bahnfahrt wird aufgehoben. Stattdessen gilt ein verpflichtendes Gebot. Ein Abschiedsgeschenk mit mindestens zwölf Blumen pro Strauß und Fahrgast an den Zugchef oder Lokführer ermöglicht das kostenlose Verlassen des Zuges.
§ 8 BordBistros und Restaurants gehören mit dem Fahrplanwechsel der Vergangenheit an. Die Räumlichkeiten werden zu BordKnästen umgebaut, in denen Fahrgäste, die einer der oben oder unten stehenden Bestimmungen zuwiderhandeln, arretiert werden. Die Schnellgerichtsverhandlungen finden im Eilzugverfahren statt und werden im Sinne der vorchristlichen Bahnfahrt durch ein einsames Urteil des diensthabenden Zugkapitäns entschieden. Eine Revision ist nicht zugelassen. Auf ausdrücklichen Wunsch kann die Einweisung in die BordStrafvollzugsanstalt in einen siebenjährigen Arbeitsdienst im Gleisbau umgewandelt werden. BahnCard-Inhaber bekommen ein Jahr Rabatt.
§ 9 Im Zuge der Privatisierung der Bundesrepublik Deutschland erwirbt die Deutsche Bahn AG 50,1 Prozent des Aktienkapitals. In allen Gremien (Aufsichtsrat, Vorstand, Aktionärsversammlung etc.) entscheidet bei Stimmengleichheit das Votum des Vorstandsvorsitzenden, dessen gegenwärtige Anstellung auf Lebenszeit verlängert wird. Zum 1. Oktober 2008 übernimmt er in Personalunion auch alle führenden politischen Ämter in den 16 Bundesländern und auf Bundesebene. Seine Amtsbezeichnung wird zum vorerwähnten Datum in "Dalai Triebgurke, Meister aller Klassen, Herrscher über Schwellenländer, Ozean der Tariferhöhung und Leuchtturm aller Blindfische" umgeändert. Im persönlichen Umgang mit ihm kann auf Freundschafts- und Begrüßungstücher verzichtet werden. Es genügt, das rechte Ohr in kniender Haltung an die Trillerpfeife des zukünftigen "Dalai Triebgurke" zu halten, um aus berufenem Munde weitere Anweisungen zu bekommen.
§10 Das Preisermäßigungssystem der jetzigen BahnCards wird abgelöst durch eine altersabhängige Rabattierung. Neugeborene (in Worten: null Jahre alte Personen) bekommen 0 Prozent, Hundertjährige die volle Ermäßigung von 100 Prozent. Damit wird sichergestellt, dass Kinder und Jugendliche im Sinne des Jugendschutzes nicht zu früh mit der gefährlichen Welt der Eisenbahn in Berührung kommen, sondern erst im volljährigen Zustand die Schrecken des Schienenstrangs näher kennenlernen.
REINHARD UMBACH
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