die wahrheit: Das Bayernbankwrack
Auf dem Schrottplatz des Kapitalismus: Zehn Milliarden suchen ein Geschäftsmodell.
Ein eiskalter Wind pfeift durch die verödete Passage auf dem Areal der BayernLB. Der Zeitungskiosk - geschlossen ("Die Banker wollen nicht noch weitere schlechte Nachrichten lesen"). Der Blumenladen - Weihnachtsferien. Die Geschenkeboutique - verriegelt und verrammelt. Enrico Brunelleschi, Wirt des Ristorante "Il Fiasco", einer der Letzten, die hier noch durchhalten, fasst die Stimmung zusammen: "Vor einem Jahr pulsierte hier noch das Leben, die Landesbanker bestellten das dreigängige Mittagsmenü für 12,90 Euro, aber jetzt? Bin ich froh, wenn sie noch auf einen Espresso zu mir kommen. Den Koch hab ich schon längst entlassen." Katerstimmung im architektonisch zweifelsfrei misslungensten Bankenareal Deutschlands. Wer hier nicht depressiv wird, dem kann wirklich nichts etwas anhaben.
Nun gibt es ja verschiedene Geschäftsmodelle für Banken: Privatkundengeschäft, Mittelstandsbank, Investmentbanking, Großkundengeschäft, Vermögensverwaltung. Manches geht immer. Manches, in letzter Zeit, eher nicht. Demnach dürfte die Landesbank Bayern einzigartig sein - eine Bank ohne jedes Geschäftsmodell. Wozu braucht man eine solche Bank, fragen sich viele Steuerzahler. Warum sollte man ein offensichtlich überflüssiges, am Markt gescheitertes Geldinstitut mit zehn Milliarden Steuergeldern retten? Sollte es nicht eher auf dem Schrottplatz des Kapitalismus verschwinden, mitsamt seinen hochbezahlten Managern?
Alois Kemnatsauer, der Pressesprecher der bayerischen Landesbank, ist da ganz anderer Meinung. Die Vorwürfe lässt der gebürtige Niederbayer locker abtropfen. "Geschäftsmodell? Brauchen wir nicht, wir verfolgen in Zukunft einen radikal unkonventionellen Ansatz mit multilateralen Zielvorgaben!" Wer so frage, zeigt seiner Meinung nach nur, dass er von den versteckten Fähigkeiten der Landesbanker und ihren kühnen Denkansätzen keine Ahnung hat. Schon bald will die krisengebeutelte BayernLB nämlich beweisen, dass es auch für Banken ohne klar definiertes Geschäftsmodell einen Weg aus dem Tal der Tränen gibt. Hier das Rettungspaket, das Kemnatsauer am 24. Dezember einer verblüfften Öffentlichkeit vorstellte, im Einzelnen:
"Mit Strategiekonzepten, die gestern noch als richtungsweisend galten, sind die Zukunftsaufgaben nicht zu lösen. Wir brauchen den Mut zu grundlegenden Veränderungen in unserem wirtschaftlichen Denken und Handeln, wobei es keine Tabus geben darf. Wer sagt denn zum Beispiel, dass Schneeballsysteme per se immer scheitern müssen? Mit unserem neuartigen Madoff Strategic Value-System wollen wir zeigen, dass bei konsequenter Kundenfokussierung auf lange Sicht durchaus eine nachhaltige Rendite zu erwirtschaften ist."
Fit for Futures: Das Geschäft mit Großkunden aus dem süditalienischen Raum wird durch umfassendes Cross-Selling und eine radikale Rückführung von nicht profitablen Geschäftsfeldern umfassend gestärkt. "Schutzgeld-Futures sind die Finanzinnovationen der Zukunft. Hier winken große Gewinne bei geringem Risiko. Im Großraum Neapel sind wir schon jetzt unangefochtene Marktführer." Und diese success-story wollen die Bayern-Banker mit ihren Töchtern Hypo Group Alpe Adria und MKB auch in den schmiergeldaffinen Schluchten des Balkan fortsetzen.
Durch die Bündelung ihrer Fernostexpertise wird die Schlagkraft der BayernLB auch in dieser Region erhöht und durch die Emission des neuartigen Triaden-Discount-Zertifikats eine klare Nummer-eins-Position auf den asiatischen Wachstumsmärkten erzielt.
Auf die Mitarbeiter der BayernLB-Gruppe werden durch diese Neuausrichtung schwere Herausforderungen und Umstellungen zukommen. So sollen in der Münchner Zentrale sieben von zehn Mitarbeitern freigestellt werden. "Aber das kann natürlich nur ein Anfang sein", verkündet Kemnatsauer mit gewinnendem Lächeln. "Mittelfristig muss der gesamte Standort auf den Prüfstand. Und längerfristig werden wir wohl um eine Verlagerung unserer Kernaktivitäten ins Ausland nicht herumkommen. Diese antizyklischen Maßnahmen werden aber notwendig sein, um die BayernLB wieder wettbewerbsfähig zu machen und damit auch langfristig Arbeitsplätze zu sichern. Sicher, die BayernLB wird nach der konsequenten Restrukturierung eine andere Bank sein. Sie wird kleiner sein, eine Reihe von unprofitablen Geschäftsaktivitäten wie die sich zuletzt unbefriedigend entwickelnde Parteienfinanzierung beenden, aber sie wird auch schlagkräftiger sein, kundennäher und weniger anfällig für unkalkulierbare Risiken", fasste Kemnatsauer die Philosophie der neuen bayerischen Landesbank zusammen.
Enrico Brunelleschi hat den Kragen hochgeschlagen. Was er von der deutlichen Redimensionierung der BayernLB hält, kann er nur mühsam verbergen. So viel lässt er aber durchblicken - er ist sehr enttäuscht von der ehemals guten Kundschaft. Und er überlegt ernsthaft, sein Kerngeschäft ebenfalls an einen anderen Standort auszulagern. Die Krise ist endgültig angekommen in der trostlosen Betonwüste der BayernLB.
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