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die wahrheitEine Brieffreundschaft auf dem Billigmond

Nach getaner Arbeit saß ich teetrinkend im Sessel und lauschte der Rundfunkübertragung eines Kammerkonzerts. Plötzlich brach die Musik ab, und drei irre Stimmen ...

... schrillten aus den Lautsprechern: " Programmänderung! Wir wollen eine Kochsendung bringen! Programmänderung! Kochsendung!"

Eine Feuerwehrglocke wurde frenetisch geläutet, lautes Brutzeln war zu hören und das Klappern von Herdgeschirr. "Damen und Herren", schrien die Irren weiter, "wir werden jetzt einen Fisch zubereiten. Obacht! Aufgemerkt! Fischzubereitung!" Als Nächstes wurde behauptet: "Diesen Fisch haben ein paar Eichhörnchen für uns aus dem Meer gezogen. Es waren gute Eichhörnchen. Und wir haben sie mit Eichhörnchen-Geld gut bezahlt. Nun wollen wir den Fisch aufschneiden. Zurücktreten! Brillenträger und Herzkranke in den Schutzraum!" Es folgte ein hässliches Schneidegeräusch.

Die drei Irren fuhren fort: "Nunmehr erfolgt das Ausnehmen." Wieder erklang die Feuerwehrglocke. "Da ist was drin in dem Fisch", hieß es. "Ein Fremdkörper. Sieht aus wie … Abwischen, das! Damen und Herren, es handelt sich um eine Musikkassette. Was ist da drauf? Ein Fischrezept? Sofort abspielen!"

Gut hörbar wurde die Musikkassette in ein entsprechendes Abspielgerät eingelegt. Eine Frauenstimme hob an zu erzählen: "Das war also die Innere Mongolei des Billigmondes, auf den ich strafversetzt worden war. Meine drei minderwertigen Reiseführer zeigten mir stolz die offene Weite des Landes. Aus der Ferne trug der Wind rasendes Schreibmaschinengeklapper heran. Die Reiseführer sprachen zu mir: ,Hör nur das kleine Mädchen! Das arme kleine Mädchen! Das arme, arme kleine Mädchen!' - ,Was ist das für ein Tippgeräusch?', wollte ich wissen. ,Haben wir dir doch gerade eben gesagt', erwiderten die Reiseführer beleidigt. ,Hör nur das arme kleine Mädchen', haben wir gesagt. ,Das arme, arme kleine Mädchen.' Ich wunderte mich: ,Ein kleines Mädchen tippt da so beharrlich?' - ,Ja. Indem es seine Briefe schreibt. Ins Leere.' - ,Es schreibt Briefe ins Leere?', wunderte ich mich weiter. ,Warum tut es das?' Meine minderwertigen Reiseführer erklärten: ,Es braucht so dringend eine Brieffreundin. Weil es hier aber keine hat, denkt es sich eine. Wir machen für dich hörbar, was sie schreibt.' "

Nach einem altmodisch trötenden Signalton wurde die Stimme eines kleinen Mädchens mit leichten Phasenverschiebungen hörbar: " ,Liebe unbekannte Brieffreundin! Ich wünschte, du könntest hier sein. Weihnachten ist hier sehr nett, und die Silvesterbräuche gelten als ausgesprochen scherzhaftes Volksspiel. Ich wünsche mir viel Geld, damit ich mir einen eigenen Hausstand einrichten kann. Ich will dir einmal aufzählen, was mir noch alles fehlt?'

,Du musst ihr antworten', drängten die Reiseführer, ,jetzt sofort! Los! So will es unsere Religion!' Halbherzig gab sie nach: ,Schön. Also … Liebes unbekanntes kleines Mädchen!' - ,Für den Anfang nicht schlecht. Mach weiter!', riefen die drei und: ,Der glückliche Beginn einer Brieffreundschaft fürs Leben! Das ist allein unser Werk.' "

Ihr irres Lachen erfüllte noch lange die Innere Mongolei des Billigmonds.

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1 Kommentar

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  • J
    Juhuuu

    Ich freu mich immer wenn ich was von EE finde, das ist ein Garant für herrlich surreale Geschichten. Lang lebe Olga la Fong (die ich von einem haufen radiergummis notfalls auch mit gewaltsam zugehaltenem Mund unzterscheiden könnte.)