die wahrheit: Deutsche in die Wüste
Der Gazakrieg ist ein israelisches Konjunkturprogramm gegen die Weltrezession.
John der Diplomat ist nicht zu verwechseln mit Joe dem Klempner aus dem letzten amerikanischen Wahlkampf. John der Diplomat ist ein rund 60-jähriger amerikanischer Arbeitsloser. Die Karriere des Republikaners und Yale-Absolventen endete im Jahr 2006, als er nach dem Sieg der Demokraten bei den Kongresswahlen seinen Job als amerikanischer UN-Botschafter aufgeben musste. Tatsächlich heißt John der Diplomat John Bolton und ist ein typischer hoffnungsloser Arbeitsloser wie aus dem Bilderbuch konservativer Weltsicht: Er hat seinen letzten Job selbst gekündigt und ist noch dazu seit dem Wahlsieg Barack Obamas im Besitz des falschen Parteibuchs.
Doch wer denkt, diplomatische Spitzenkräfte wie John Bolton würden nun still auf dem Altenteil sitzen, der hat weit gefehlt. "Thinktanks" aus den Vereinigten Staaten wie aus anderen Ländern haben seit Beginn der israelischen Invasion in Gaza wieder Hochkonjunktur. Sogar John der Diplomat meldete sich vor einigen Tagen zurück mit einem Artikel in der renommierten Washington Post. Das Resumee des Thinktank-Artikels lautet: Die Zweistaatenlösung mit ihren zwei friedlich nebeneinander existierenden Staaten Israel und Palästina sei gescheitert. Nun solle eine Dreistaatenlösung her. Zum Teufel mit dem Staat Palästina. Der Gazastreifen geht an Ägypten, das Westjordanland an Jordanien. Dann ist endlich Ruhe! Zumindest in Israel. Joe der Klempner würde sagen: Wasserleitung eingefroren, Toilette verstopft, scheißen Sie beim Nachbarn!
So sinnlos, wie manche "antiisraelische" Beobachter behaupten, ist der Angriff Israels auf Gaza nicht. Nicht nur John der Diplomat hat durch den Krieg wieder in die Arbeitswelt zurückgefunden. Tausende durch die Wirtschaftskrise taumelnde junge israelische Menschen (hebräisch: Reservisten) fanden mit einem Schlag eine Beschäftigung bei der israelischen Armee. Politiker, Experten und Journalisten aus aller Welt, die zuvor um ihre Jobs gebangt hatten, waren auf einmal wieder gefragt. Auch Gaza, wo 70 Prozent der Bewohner in Flüchtlingslagern leben und die Arbeitslosigkeit bei 80 Prozent liegt, profitiert vom israelischen Konjunkturprogramm. Noch einige Luftangriffe und die Arbeitslosigkeit dort wird ein für alle Mal ganz beseitigt sein. Und wer den Weg zum Jenseits mit Hilfe der israelischen F16-Kampfflugzeuge nicht findet, der wird sich später sowieso freiwillig beim Jobcenter "Hamas" melden.
Nicht "Luftangriff", "Bodenoffensive" oder "Straßenkampf", die Etappen des israelischen Engagements sollten "Konjunkturpaket I, II und III" heißen. Eine Idee, die der deutschen Bundesregierung nicht verborgen blieb. Nach anfänglichem Durcheinander im Bundeskanzleramt, als sich die Kindergärtnerin der internationalen Gemeinschaft, Angela Merkel, noch arg missverständlich äußerte, fand man endlich zu einem sinnvollen Geschäftsmodell. Auf seinem Blitzbesuch im Nahen Osten vereinbarte der deutsche Außenbeschäftigungsminister Frank-Walter Steinmeier mit dem ägyptischen Präsidenten Mubarak die Entsendung deutscher Experten zur Tunnelüberwachung an der Grenze Ägyptens zu Gaza. Ab sofort können sich alle ausgebildeten "Tunnelüberwacher" Deutschlands beim Auswärtigen Amt melden. Dann werden sie in die Wüste geschickt, um dort ihrer verantwortungsvollen Überwachungstätigkeit nachzugehen.
Und mit ein wenig Glück können die Deutschen sogar im Jahre 20 nach dem Mauerfall auch noch die letzten verbliebenen Mauerstücke an die Israelis verkaufen, inklusive Schießanlagen. Da wird selbst John der Diplomat nicht schlecht staunen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau