die wahrheit: Thomas G. - Es muss nicht immer Kaviar sein
Dass sich ausgerechnet die CSU über Gottschalks Kot-Wette aufregt, ist nur ein weiteres Zeichen dafür, dass die bayerische Staatspartei jegliche Bodenhaftung verloren hat ...
Dass sich ausgerechnet die CSU über Gottschalks Kot-Wette aufregt, ist nur ein weiteres Zeichen dafür, dass die bayerische Staatspartei jegliche Bodenhaftung verloren hat. "Laptop und Lederhose" - so warb Edmund Stoiber noch vor einigen Jahren für sein Heimatland. Offensichtlich will man aber in Bayern nur noch mit dem Hightech-Aspekt dieses Alliterationszwillings zu tun haben. Die Lederhose wird sträflich vernachlässigt, ignoriert, obwohl sie international für "Felix Bavaria" steht wie nichts anderes. Schließlich ist sie die Bekleidung des bayrischen Bauern, des archetypischen Naturburschen, zu dessen Alltag der Duft verdauender Tiere gehört wie der Katholizismus und gesellschaftlich anerkannter Alkoholismus. Und seien wir ehrlich: Wonach röche Bayern, wenn wir den Dungduft vertrieben? Nach BMW- und Audi-Abgasen und dem Intimrasierwasser der Busserlgesellschaft.
Insofern kann man es dem Franken und somit Zwangsbayern Thomas Gottschalk gar nicht hoch genug anrechnen, dass er dem Fernsehvolk mal wieder gezeigt hat, woher der Bayer seine Kraft nimmt - vom beidbeinigen Stehen in Gottes duftender Natur. Dass der Kot in "Wetten dass" von exotischen Zootieren stammte und nicht von bayrischen Rindern und Schweinen, kann man getrost als kleinen Schönheitsfehler vernachlässigen, ebenso wie den Veranstaltungsort Offenburg, der bekanntlich in Baden-Württemberg liegt. Aber was ist Baden-Württemberg schon anderes als eine Art verklemmtes Bayern mit hohem Evangelen-Anteil?
Ein anderer Aspekt der Kotschnüffelei wurde aber bisher sträflich vernachlässigt: Selten war jemand im deutschen Fernsehen so nah bei sich selbst wie Gottschalk, als er am Samstagabend Scheiße auf Silbertellern servierte.
Jahrzehntelang hatten wir mit ansehen müssen, wie er herumeierte, hier mal ein bisschen Dreck wagte und Schönhuber in seine Late-Night-Show einlud, dort ästhetisch ins Klo griff, indem er sich anzog wie Bobo der Clown auf LSD oder eine blind gewordene Lotti Huber. Selbst seine bisher konsequentesten Versuche im Pipi-Kacka-Bereich, die Supernasen-Filme mit Mike Krüger, vermitteln im Nachhinein nur eine Ahnung dessen, was da tief unten in Gottschalks Seele an Sehnsucht geschlummert haben muss. Immer wieder versuchte er diese dunkle Seite wegzudrücken und Normalität und Zivilisiertheit vorzutäuschen, indem er zum Beispiel öffentlich mit Marcel Reich-Ranicki plauderte. Weil er diesen aus Unkenntnis für einen Literaturkritiker, also einen kultivierten Menschen, hält. Was aber ganz gut passt, weil Reich-Ranicki bis heute in einem ähnlich grundfalschen Umkehrschluss glaubt, Gottschalk sei ein Unterhaltungskünstler. Wie man sich irren kann.
Denn nichts ist Gottschalk weniger als ein Unterhalter. Dem Unterhalter geht es ums Publikum, Gottschalk aber um die Befriedigung der eigenen Obsessionen. Letztlich um die totale Selbstbefreiung. Und nachdem der Damm nun gebrochen ist, Gottschalk die Tür zu seinem Unterbewusstsein eingetreten hat, kann eigentlich alles passieren. Am 20. 2. folgt der nächste Akt in Düsseldorf und wir dürfen live dabei sein.
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