die wahrheit: Der erstaunliche innere Mongole
Wüste Geschichten hört man hier in Peking immer wieder über die Trinksitten der nördlich von uns wohnenden Mongolen. Man liest auch so einiges...
...Zwölf Liter reinen Alkohol, weiß zum Beispiel Mongolia Today, trinkt ein Bewohner der Mongolei pro Kopf und Jahr. Das sind zwei Liter mehr als der dem Alkohol auch nicht abgeneigte Deutsche.
Dieses erstaunliche Schluckvermögen wollte ich neulich selbst einmal vor Ort überprüfen. Mein Wissensdurst hielt sich allerdings mit einer gewissen Furcht die Waage. Also entschied ich, zusammen mit meiner reizenden Dolmetscherin nicht in die Äußere, sondern in die Innere Mongolei zu fahren.
Die unterscheidet sich von der Äußeren zunächst einmal dadurch, dass sie nicht selbständig ist, sondern zu China gehört. Von dieser Tatsache versprach ich mir einen gewissen, den Mongolen mäßigenden Einfluss.
Es dauerte allerdings ein paar Tage, bis wir unterwegs einen ersten, engeren Kontakt zu echten Mongolen aufnehmen konnten. Dabei kam uns der Zufall zu Hilfe. Mitten in der Steppe hatten wir den falschen Linienbus erwischt und waren ratlos, wo wir übernachten sollten. Da bot uns eine junge mongolische Passagierin an, bei ihrer Familie unterzukommen.
Zwei Stunden später fanden wir uns abseits aller Straßen in einer aus Lehm und Mist gebauten kleinen Hütte wieder, in der es weder fließend Wasser noch eine Toilette gab. Dafür waren wir von freundlichen Menschen umringt: Vater, Mutter, zwei Töchter und ein Sohn. Dazu kamen noch ein paar Esel, Kühe, Pferde, drei Hunde und vierhundert Ziegen und Schafe. Uns zu Ehren verkündete der Vater, diese Herde auf 399 zu reduzieren.
Vier Stunden lang wurde ein Schaf geschlachtet, ausgenommen und gekocht. Schließlich wurde in der Hütte aufgetragen. Das war der Moment, vor dem ich mich gefürchtet hatte. Zwar war ich hungrig wie ein Steppenwolf. Doch ich wusste, dass ich gezwungen sein würde, das Fleisch mit literweise Schnaps herunterzuspülen.
Tatsächlich holte der Vater eine große Flasche chinesischen Baijiu aus dem Schrank und öffnete sie grinsend. Ich habe schon öfter von diesem Zeug getrunken und weiß, dass man nach nur drei Gläsern am nächsten Morgen vor Übelkeit und Elend den Tag seiner Geburt verfluchen wird. Deshalb gehe ich diesem Getränk inzwischen aus dem Weg. Aber hier, unter waschechten Mongolen, würde ich meinem Schicksal nicht entkommen können.
Wer beschreibt mein Erstaunen, als der Vater nur drei winzige Gläser füllte: Eins für die Dolmetscherin, eins für mich und eins - für seine Frau. "Mein Mann trinkt nicht", erklärte die, "und auch meine Kinder leben abstinent. Ganbei!" Wir tranken die drei Fingerhüte mit der alten Dame und gingen dann auch bald schlafen.
Selbstverständlich war ich froh, so glimpflich davongekommen zu sein. Andererseits weiß ich nun nicht mehr, was ich über die Mongolen glauben soll. Wahrscheinlich war auch in ihrer Geschichte alles anders: Dschingis Kahn war Pazifist, und die Feldzüge wie die Gemetzel hat seine Frau veranstaltet.
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