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die wahrheitEspressespione

Wir saßen im Café Gum, und Raimund beobachtete seit Minuten einen Mann, der an einem der Tische am Fenster saß und schrieb. "Was schreibt er bloß die ganze Zeit?", fragte er schließlich...

Ich rührte in meinem Kaffee und nahm einen Schluck. "Vielleicht", sagte ich, "ist er Lyriker. Viele Lyriker sitzen in Cafés und dichten." Doch Raimund war nicht einverstanden. "Nein", murmelte er, "das ist kein Lyriker. Ich sage dir, das ist ein Spion. Genauer: ein Espressospion!"

Ich seufzte, und Raimund wusste, was das bedeutete. "Kuck doch mal genau hin!", raunte er mir zu: "Er macht sich Notizen über alles, was hinter dem Tresen geschieht!" Tatsächlich hatte er Recht. Aber Espressospionage? "Na ja", sagte ich: "Vielleicht schreibt er eine Ode auf Pete, den Gum-Wirt."

Jetzt verdrehte Raimund die Augen. "O Mann", schnaufte er, "das ist ja der unwahrscheinlichste Quatsch, den ich je gehört habe!" - "So!", zischte ich: "Aber deine Räuberpistole über Espressospionage, die findest du wahrscheinlich, ja?!" - "Jep!" - "Und wer, bitte schön, soll sie betreiben, die Espressospionage?" - "Die Chinesen!" - "Die Chinesen?" - "Na klar! Man weiß doch, dass sie ständig Leute losschicken, um die Baupläne westlicher Geräte abzufotografieren und in China billige Kopien davon zu bauen. Was aber nützt es ihnen, eine Espressomaschine zusammenschrauben zu können, wenn sie nicht wissen, wie man einen Kaffee der Extraklasse damit braut?"

Ich atmete tief durch. "Sehr chinesisch sieht er aber nicht aus, dein Spion", sagte ich dann. "Pff!", machte Raimund: "Das wäre doch auch viel zu verdächtig! Natürlich haben sie einen Top-Mann aus Russland eingekauft!" - "Und warum", bohrte ich weiter, "ist der Top-Mann nicht nach Mailand oder Neapel gereist, wo doch gewiss ein viel besserer Espresso hergestellt wird?" Raimund zuckte die Schultern. "Was weiß ich? Vielleicht trifft Petes Espresso eher den chinesischen Geschmack? Erinnerst du dich noch an die chinesische Reisegruppe, die vor ein paar Wochen hier war? Ich wette, das waren in Wahrheit Espressotester auf Europatournee!"

Bevor ich einwenden konnte, dass die vermeintlichen Chinesen japanische Wimpel an ihren Rucksäcken getragen und außerdem ausschließlich Bier in großen Mengen getrunken hatten, stand Raimund auf und marschierte zur Theke. Er flüsterte Pete etwas ins Ohr, und umgehend stampfte der Gum-Wirt empört zu dem Espressospion hinüber. Kaum aber hatte unser alter Freund ein paar Sätze an den Agenten gerichtet, zeigte ihm dieser einen Ausweis, so dass Pete sichtlich schwitzend zurück zum Tresen schwankte. "Was hat er gesagt? Was war das für ein Ausweis?", bestürmten wir ihn - doch Pete tat nichts weiter als schwitzen und schweigen.

Und so erfuhren wir erst Tage später, dass der Espressospion in Wirklichkeit ein Steuerfahnder war, der im Wechsel mit einigen Kollegen die Vorgänge am Tresen seit geraumer Zeit beobachtete und wahrscheinlich der Grund dafür war, dass Pete bald darauf seinen alten Porsche verkaufen musste und fortan mit einem geliehenen Fahrrad zur Arbeit fuhr.

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