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die wahrheitUnter Tierfreunden

Nach einigen Wochen des Schönwetterterrors scheint dieser Sonntagmorgen wie gemacht zum Ausschlafen: rauschender Regen vor dem Fenster, gnädiges Dämmerlicht, rein gar keine Verabredung.

Nach einigen Wochen des Schönwetterterrors scheint dieser Sonntagmorgen wie gemacht zum Ausschlafen: rauschender Regen vor dem Fenster, gnädiges Dämmerlicht, rein gar keine Verabredung. Mein Glück dauert, bis die Tür auffliegt. Auf der Schwelle steht der Liebste mit fassungslosem Gesicht. An seinem ausgestreckten Arm windet sich die Katze. "Die hat mich gerade angepisst!", jammerte er, "mitten auf der Couch!"

Ich verkneife mir die Bemerkung, dass er sich auch eher selten im Katzenklo aufhalte, und besichtige mitfühlend Mann und Malheur. Das unreine Tier hat sich inzwischen in größtmöglicher Entfernung von uns aufgestellt und wirkt unruhig. Zittert es gar? Und hängt da nicht eine mysteriöse Wulst aus dem Bauchfell? Klare Sache, Kätzchen wandelt sich vor unseren Augen von der Übeltäterin zur hilfsbedürftigen Kranken. Das Frühstück fällt aus, es gilt, das dicke Tier zum Arzt zu schleppen.

In der Praxis eingetroffen, werde ich sofort Opfer eines Sonntagszuschlagsservicelächelns der Arzthelferin, das von mir arglos erwidert wird, bis ich die Honorarliste sehe. Mieze scheint stellvertretend für mich in Ohnmacht zu fallen, ich bleibe standhaft.

Der Rundblick durch das Wartezimmer macht mir Mut. Bis auf einen matschgesichtigen Halbpekinesen samt Besitzer ist es leer. Ich werde nicht lange warten müssen und bald wieder zu Hause sein … Während ich mich fasziniert frage, ob der elektrische Pheromonzerstäuber, der die seelischen Probleme von Tieren quasi per Einatmung zu beseitigen verspricht, auch auf den Menschen wirkt und ob er - was sein Preis vermuten lässt - vielleicht vergoldet sei, verkrieche ich mich hinter der Zeitung.

Echte Tierfreunde kennen jedoch kein Pardon: Auftritt Frau, Typ Katzenmutter, mit jelzinhafter Gesichtsfarbe und ebensolcher Morgenfahne. Es folgt ein Verhör, Miezes Lebenslauf betreffend. Als jede Auskunft gegeben ist, erwartet Katzenmutter Gegenfragen. Das macht man hier so. Ich dagegen läse lieber Zeitung. Noch immer ist kein Arzt zu sehen. Dafür füllt sich das Wartezimmer weiter.

Ohne mich zu fragen, lässt der Pekinensenpapa einen frisch eingetroffenen Hundebesitzer mit der Bemerkung vor, er jedenfalls habe alle Zeit der Welt. Wenig später erleidet ein weiblicher Punk einen Nervenzusammenbruch, weil ihr Wellensittich im Sterben liegt und die erlösende Spritze 28 Euro kosten soll. Ich traue mich nicht vorzuschlagen, die Sache kostensparend von den inzwischen ausreichend vorhandenen Katzen erledigen zu lassen.

Der Pekinesenpapa führt Gespräche. Mit sich selbst und mit Angela Merkel! Wenigstens spricht er mich nicht an. Das erledigt weiterhin die Katzenmutter. Ich teile meinem Kätzchen mit, dass ich gleich schreie.

Nach nur einhundertachtzig Minuten im Wartezimmer beruhigt mich der Arzt: Mieze sei gesund und lediglich zu fett und frustriert. Macht hundert Euro. Ich bin nun auch frustriert.

Die Katze ist seither mopsfidel. Sie ahnt, dass ich einen Rückfall nicht überleben würde.

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