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die wahrheitStaub, die Intimbehaarung des wohnenden Menschen

Selbst als politisch interessierter Kolumnist muss man sich hin und wieder mit den wahrhaft wichtigen Dingen des Lebens befassen. Denn neben Kapitalismus, Erderwärmung...

...und Rassendiskriminierung gibt es noch andere Skandale, die es öffentlich anzuklagen gilt. Zum Beispiel: Staub! Die Geißel des Bücherregals, die Plage des Computerbildschirms, die Pest von unterm Bett.

Manchmal habe ich nachts Albträume, in denen ich komplett mit einer dicken Schicht Staub bedeckt bin. Ich träume davon, in Staub gepökelt zu werden, die Staubplocken kriechen in meine Ohren und in meine Nase, setzen sich in meinen Lungen fest und lassen meinen Lebensmotor immer langsamer laufen, bis er schließlich stotternd stehen bleibt.

Staub ist ein Wiederholungstäter. Er kommt immer wieder, selbst wenn man ihn regelmäßig wegwischt. Das ist wie mit dem Rasieren. Kaum hat man es gemacht, wächst das Elend schon wieder nach. Beim Rasieren hat sich inzwischen wenigstens etwas Geschlechtergerechtigkeit eingestellt. Seit die Frauen sich Achselhöhlen, Beine und teilweise untenrum rasieren, müssen nicht mehr nur die Männer unter der haarigen Sisyphos-Arbeit leiden.

Aber so wie die einzige Möglichkeit, dem Rasierzwang zu entfliehen, darin besteht, als Mann zum Waldschrat oder als Frau zur Ikone der Bear-Community zu werden, kann man sich als Staubwischverweigerer nur mit einem Leben arrangieren, von dem man immer erst den Belag wegpusten muss, wenn man es leben will.

So dachte ich bis vor kurzem. Aber dann legte ich mir ein magisches Lebenserleichterungsinstrument zu: einen akkubetriebenen Handstaubsauger. Während ich mal wieder einen durch Hausstaubmilben verursachten Asthmaanfall cortisongestützt überlebte, blätterte ich keuchend im Katalog einer englischen Edelstaubsaugerfirma. Wie ich zu diesem Katalog kam, weiß ich nicht mehr. Vermutlich hatte der HERR ihn mir auf den Nachttisch gelegt.

Und da entdeckte ich neben den Hochleistungsmaschinen einen kleinen, wie eine Science-Fiction-Pumpgun aussehenden Akkusauger, der laut Kataloglyrik, im Gegensatz zu den üblichen Mobilgeräten, richtig Power haben sollte: satte 36 Watt Saugleistung! Deswegen laufe er mit einer Akkuladung auch immer nur sechs Minuten, dann habe er sich komplett verausgabt und müsse sich drei Stunden in der Ladestation erholen. Denn musste ich haben!

Schluss mit den fiesen Staubtüchern, die das Problem ja nicht lösen, weil man sie nach kurzem Gebrauch ausschütteln muss und so der verschwundene Staub zurückkehrt ins Leben. Schluss mit den monströsen Bürst- und Klopfsaugern, die man erst aus der Kammer bugsieren und in die Steckdose stecken muss.

Liege ich jetzt müde auf meinem Bett und sehe aus den Augenwinkeln, wie der Feind versucht, Besitz von meinem Bücherregal zu ergreifen, greife ich zum Akkusauger, starte einen minutenkurzen Angriff, stecke den Sauger zurück ins elektrische Ladeholster und döse weiter. Wissend, dass ich mich nicht kampflos ergeben werde.

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