die wahrheit: Stinkbomber der Nation
Was könnte der Publizist Henryk M. Broder noch werden?
Die Nachricht schlug ein wie eine Stinkbombe: Henryk M. Broder kandidiert für den Vorsitz des Zentralrats der Juden in Deutschland! Zwar reagierte der Rat belustigt bis befremdet auf Broders Mitteilung, er werfe seine "Kippa in den Ring". Doch ein Gutteil der deutschen Medien nahm den verspäteten Aprilscherz bitterernst. Schon acht Tage später blamierte "der Gernegroß" (taz) nicht nur sich, sondern alle, die auf ihn hereingefallen waren. Er ziehe die Kandidatur zurück, erklärte Broder in seinem Hausblatt Spiegel, denn er habe den Laden bloß mal ein wenig "aufmischen" wollen. Erneut liefen die Ticker heiß. Und Broder bleibt Tagesgespräch.
Nach diesem gelungenen Stück Eigen-PR plant "der Pausenclown" (Süddeutsche Zeitung) jetzt weitere Scheinbewerbungen. Wie die Wahrheit erfuhr, will er noch in dieser Woche das Amt des Zentralratsvorsitzenden der deutschen Muslime beanspruchen: "Mir haben bereits zwei Hinterhofmoscheen ihre Unterstützung signalisiert", zeigt sich Broder zuversichtlich. "Aiman Mazyek - intern ,Onkel Hadschi Halef Omar' genannt - scheint von dem Job überfordert. Statt sich energisch um die Einführung der Steinigung und des Handabhackens ins deutsche Strafrecht zu bemühen, wird der Mann nicht müde, seine gute Zusammenarbeit mit dem Innenministerium zu betonen. So kann es mit der Scharia selbstverständlich nichts werden." Der Publizist meint, durch sein Buch "Hurra, wir kapitulieren!" bestens qualifiziert für die Aufgabe zu sein: "Wer, wenn nicht ich, weiß, wie die deutschen Muslime wirklich ticken!" Einen dem Propheten wohlgefälligen Bart habe er außerdem zu bieten, und gegen die Schweinegrippe sei er schon seit Monaten geimpft.
Der nächste Pfeil steckt bereits im Köcher. Mitte November will Broder sich als neuer Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zur Verfügung stellen. Er habe lange genug herumgekrebst, um Bescheid zu wissen, kalauert der Kolumnist. Er verweist aber auch auf seine langjährigen Erfahrungen als Geißler gesellschaftlicher Geschwüre. Broders Kritik an der DKG fällt gewohnt spaltzüngig aus: "Sie tritt als Spenden-Entgegennahme-Instanz auf und vergibt dafür Bescheinigungen, wobei es weder nach oben noch nach unten eine Zahlgrenze gibt. Aber es kann nicht die Aufgabe der Krebsgesellschaft sein, sich als das gute Gewissen Deutschlands aufzuführen." Deshalb werde er sich dafür einsetzen, dass künftig nur mehr Privatpatienten an die DKG spenden dürfen: "Ich werfe meine Kippe in den Ring!"
Simultan wird der kurzbeinige Krawallbruder bei Jogi Löw als neuer Mittelstürmer der Nationalmannschaft kandidieren: "Miroslav Klose meint es ja gut, aber seit der Euro sind seine Auftritte schlicht kontraproduktiv. Wir brauchen nicht noch mehr verstolperte Chancen und Zitterpartien. Sondern eine aktive Strafraumbeherrschung im Dienste des Weltfußballs." Dass gerade er, Broder, dafür prädestiniert sei, stehe außer Frage - er habe schon immer einen guten Riecher fürs Abstauben gehabt. "Und in aller Unbescheidenheit", ergänzt der polyglotte Polemiker mit einem verschmutzten Lächeln: "Ive got balls!"
Sofort nach Rückzug dieser Bewerbung will der umtriebige Unruhestifter sich um den Posten des Papstes bemühen. "Der Heilige Stuhl befindet sich in einem erbärmlichen Zustand. Darum habe ich nach reiflicher Überlegung beschlossen, die Nachfolge des Pontifex maximus anzutreten", will Bruder Broder der erstaunten Weltöffentlichkeit verkünden. Seine erste Amtshandlung solle die Wiederbelebung der Heiligen Inquisition sein. Immerhin verstehe kaum jemand mehr als er von Schaum vorm Mund, Ignoranz und Intoleranz. Auch sein vorgerücktes Alter lege ihm die Bewerbung nahe: "In zwei Jahren werde ich 65, da läuft mit den Weibern eh nicht mehr viel. Ich bin, was das betrifft, weder größenwahnsinnig noch vergnügungssüchtig. Und bei meiner Figur ist so ein Ornat das ideale Kleidungsstück."
Als Krönung seiner Kandidaten-Camouflage plant Henryk M. Broder nichts Geringeres als die Bewerbung um die Präsidentschaft des Universums. "Der Posten", erklärt er, "ist ja vakant, seit Nietzsche erklärt hat, Gott sei tot." Eine Gegenkandidatur müsse er auch nicht fürchten, da potenzielle Konkurrenten wie Jimi Hendrix ("Gott der Gitarre") und Stan Libuda ("Flankengott") nicht mehr unter IHM weilen. Mit Karel Gott werde ER sich schon arrangieren. Jedenfalls habe Broder SEINEN Anbetern ein ganz simples Glaubensbekenntnis zu bieten: "Ob jemand koscher isst oder halal oder doch lieber Kassler, wird mir als Gott piepenhagen sein. Ich bin schon zufrieden, wenn die Leute mir aus der Hand fressen. Und wenn sie meinem unausgegorenen Geschwätz so andächtig lauschen wie das deutsche Feuilleton seit Jahr und Tag." Zumindest darauf kann der gewiefte Gaukler sich verlassen. Weiß Gott.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug