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die wahrheitKrieg der Clowns

Vertrauensbruch unter schlecht gestimmten Spaßmachern

Missgelaunt war er selbstverständlich, denn die Garderobe war ihm viel zu klein. Bild: rtr

Vor vielen, vielen Jahren begab es sich, dass ein kleines Privattheater in Westfalen einen in der Region angeblich recht bekannten Clown für mehrere Abende zu Gast haben sollte.

Dieser Clown, so erzählte der technische Leiter des kleinen Theaters bei der wöchentlichen Dienstbesprechung, dieser Clown sei sogar schon beim weltberühmten Circus Krone aufgetreten und eine absolute Koryphäe auf seinem Gebiet, und wer von den Licht- und Tontechnikern denn übergroße Lust verspüre, diesen Künstler bei seinem Gastspiel zu beleuchten, wollte er noch wissen.

Eine junge Technikerin - noch recht neu im Job - sah nicht die sich wegdrehenden und ihre Gesichter in Bühnenplänen verbergenden Kollegen, nein! Sie schnippte aufgeregt mit den Fingern: Den berühmten Clown wollte sie beleuchten, denn ein Clown würde ja sehr lustig sein.

Und der Clown kam. Missgelaunt war er selbstverständlich, denn die Garderobe war ihm zu klein. Zaghafte Anmerkungen der Technikerin, diese Garderobe würden sich aber normalerweise bis zu zehn Schauspieler teilen, beantwortete er dann aber doch mit mildem Lächeln: "Ich bin aber kein normaler Schauspieler." Er trug einen samtenen Bademantel in Bordeauxrot, auf dem hinten sein Name in goldenen Lettern prangte. Die Technikerin, schwer beeindruckt, kaufte ihm auf seinen Befehl hin im Drogeriemarkt eine Flasche Rotwein und war sehr gespannt auf die Darbietung des Künstlers, denn der hatte sogar damals schon ein Mobiltelefon, durch das er unentwegt verschiedene Leute - unter anderem seinen Manager, seinen Agenten und seine Sekretärin - beschimpfte. Krusty, der Clown von den "Simpsons", wirkt dagegen so gesittet wie die Benimmlehrerin der Königin von England.

Die Bühnenshow an sich war für die Technikerin dann erleuchtend. Der Clown hatte plötzlich - wie jeder normale Schauspieler, der einen Clown darstellen will - die normalen übergroßen Schuhe an, die normale übergroße Wackelhose, die rote Nase, die Glatzenperücke - kurz, alles was sich die Technikerin erhofft hatte. Er stolperte auch leidlich auf der Bühne herum, rollte mit den Augen, fiel mal hin und schrie dabei "ojeh, ojeh!", spritzte Wasser aus seiner übergroßen Fliege und sang "Oh, mein Papa". Der Höhepunkt der Show war allerdings, dass er zu Zirkusklängen die Dressurnummer eines Zirkuspferds nachstellte! Die Technikerin fand das toll, doch die sieben zahlenden Gäste, die tatsächlich gekommen waren, außerdem der Lokalreporter und ein paar Kollegen des Clowns, all diese Leute sahen entweder enttäuscht, gelangweilt oder erzürnt aus.

Die Technikerin aber wusste: "Da kommt noch was! Vielleicht macht er noch die Nummer mit dem sich aufrollenden Vatermörderkragen." Auch diese Nummer kam selbstverständlich! Die Technikerin stürmte nach der Darbietung in die Garderobe des Clowns, um ihm ihre Bewunderung zu zollen, aber ach: Ihr Clown - wieder im samtenen Bademantel in Bordeauxrot, auf dem hinten sein Name in goldenen Lettern prangte - stand mit gezückter Rotweinflasche, deren Hals zu tödlichen Zacken abgeschlagen war, einem älteren Herrn, der ein langes Messer in der Hand hatte, in geduckt bedrohlicher Haltung gegenüber. Die Kontrahenten sahen aus, als ob sie sich gegenseitig nichts schenken wollten, das war ein Kampf auf Leben und Tod, das sah man sofort.

Beide umkreisten sich mit grimmigem Knurren. Dann ging der ältere Herr in die sprachliche Offensive: "Du hast mir den Gag geklaut!" - "Den Gag habe ich erst entwickelt und bühnenreif gemacht!", knurrte der Clown drohend zurück. Der ältere Herr, dessen Kopf nun zornesrot geschwollen war, rief beinahe den Tränen nahe: "Aber der Gag war meine Idee, du hast mein Vertrauen missbraucht!" Die Technikerin wusste nicht, wie sie eingreifen sollte, sie wusste nicht mal, um welchen neuen Gag, den es vielleicht erst seit zwanzig Jahren gäbe, es hier gehen sollte, sie hatte bei der Show nichts Außergewöhnliches entdeckt. Nach ungefähr zwanzig Minuten des gegenseitigen Umkreisens mit gezückten Flaschen und Messern, lagen sich die Feinde plötzlich weinend in den Armen und beschlossen, erst mal unten in der Kneipe einen trinken zu gehen, um vielleicht einen neuen, gemeinsamen Gag zu entwickeln.

Die Technikerin schloss glücklich das Theater hinter ihnen ab. Sie hatte endlich einen Hauch von Zirkusluft geschnuppert.

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