die wahrheit: Kitz mit Spitzen
Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute mit: Kristina "Bambi" Köhler.
Ganz Deutschland spitzte die Augen, als Ende November in Berlin eine neue, blütenreine Ministerin zur Welt kam. Wer in seinem grauen Oberstübchen eine Ecke für Politik freihält, wird sich erinnern: Kaum dass die schwarz-gelbe Regierung vom Band gelaufen war, hatte Franz Josef Jung seinen Sessel in den Wind schreiben müssen; im Kabinett, wo der kastenförmige, speckbesetzte Mann seit vier Jahren vor Anker lag und mit dem Schwergewicht seiner Anwesenheit den Raum gekrümmt hatte, schwebte nun die rehäugige, von zarter Haut ummantelte Kristina Köhler ein und ließ sich mit zierlichen Hufen am Tisch nieder, wo ein Platz für die frische, noch vollständig unbefleckte Familienministerin reserviert war.
Was aus Jung geworden ist, weiß niemand. Dass der stämmige Mensch, wie seit Monaten hinter vorgehaltener Faust gemunkelt wurde, nur äußerlich intakt, inwendig aber längst baufällig war, wurde in der Tat bereits seit Monaten hinter vorgehaltener Faust gemunkelt. Die Generäle verachteten den schlappen Zivilmenschen, der nie einen Feind von innen gesehen, geschweige denn erlegt und ausgestopft hatte. Bei der kämpfenden Truppe war er trotz seiner mächtigen körperlichen Erscheinung als Sexsymbol nie richtig angekommen.
Nach derzeitigem, noch von keiner Eilmeldung aufgeweichten Kenntnisstand wurde Jung weder in einer Sammelstelle für Expolitiker abgegeben noch in einem Altministercontainer gefunden. Auch von einer Zweitverwertung seiner Person als Berater in der Wirtschaft ist nichts bekannt. Selbst vom Rheingauer Weingut seiner Bruders ist nichts zu hören, wo demnächst ein bemerkenswerter, in über 50 Jahren Lagerung gereifter Wein abgefüllt wird von blutroter Farbe, mit vollem Körper und etwas schmierigem Bukett.
Auch von Kristina "Bambi" Köhler weiß niemand, was aus ihr seither geworden ist. Man kann nur hoffen, dass sie weiterhin lebt und sich mit den hohen Tieren verträgt, darunter Angela "Kuhauge" Merkel, Ursula "Frettchen" von der Leyen und Guido "Waran" Westerwelle. Der kätzchenhafte Philipp "Minzi" Rösler könnte im Haifischkäfig der Politik ihr Verbündeter sein - wenn er es denn sein könnte, nachdem sie ihm den Rang als jüngstes Küken in der Regierung abgeknöpft hat: Mit 32 ist sie vier Jahre leichter als Rösler, der bereits 36 Kalenderumdrehungen auf die Waage bringt. Gerade bei den männlichen Wählern dürfte sie damit als Vorlage besser geeignet sein.
Indes sollte sich niemand durch Kristina "Rehkitz" Köhlers Äußeres ins Bockshorn einwickeln lassen. Sie scheint von Kosen, Kuscheln und Streicheleinheiten zu leben, doch auf dem Grund ihres Wesens ist sie bis an die Haarspitzen mit Stacheln bewehrt.
Als Nesthäkchen, das einen zwölf Jahre älteren Bruder besitzt, ist sie es seit ihrem nullten Geburtstag am 3. August 1977 gewohnt, dass jeder nach ihrer Nase tanzt und sie ihren Willen serviert bekommt: Von allen Seiten gehätschelt, bewältigte das Unschuldslämmchen in seiner Heimat Wiesbaden nacheinander die Häschenkrippe, die Rehlein-Grundschule sowie das Biene-Maja-Gymnasium und machte im benachbarten Mainz an der Schneewittchen-Universität sogar den Mäusedoktor im Spielzeugfach Politikwissenschaft mit dem Thema "Wenn ich jetzt mit 32 nicht endlich den Doktor kriege, schreie ich".
Da hatte das scheinbar scheue Reh Kristina Köhler, das mit 14 in die Junge Union getapst, mit 15 in den Kreisvorstand gehoppelt, mit 17 in die Erwachsenen-Union gehüpft, mit 18 in den Bezirksvorstand gesprungen und mit 25 in den Bundestag gerauscht war, längst gezeigt, dass, wer sich von dem Täubchen täuschen ließ, sich bald in Säure eingelegt wiederfand.
Sie demolierte Steinmeier im berühmt-berüchtigten BND-Irak-Untersuchungsausschuss und schrumpfte Heidemarie Wieczorek-Zeul ein, der sie das Wiesbadener Direktmandat mit kühlen Augen entwendete. Als Nächster ist Innenstaatssekretär Ole Schröder dran, der wie sie in der CDU lebt und den sie Anfang 2010 heiraten wird, um ihr Dasein mit Kindern aufzufüllen, denn Kristina "Rehkuh" Köhler weiß, was sich als Familienministerin gehört.
Im wohlproportionierten Bürgertum aufgewachsen, abgeschirmt von den verlausten Gesellschaftsschichten, atmete sie den Geist der besseren Kreise schon im Strampelhöschen ein und lebt nun als erwachsene Schnecke vor, welche Verheerungen goldener Wohlstand und fürsorgliche Erziehung bewirken: Konformismus dick wie ein Brett und in der gestriegelten Birne ein Weltbild, das die Gesellschaft mit einer Gemeinschaft verwechselt, ja sogar - es passt wie das Amt auf den Eimer - als Familie betrachtet, wo man nicht jeden mögen muss, aber alle zusammenhalten, damit es Kristina Köhler gut hat.
Wer nicht mitmacht, ist doof, bis in die Eier links oder muslimisch oder jedenfalls nicht porentief deutsch und gehört nach ihrer eisernen Auffassung zwischen die Zähne des Verfassungsschutzes. Als Inbild des modernen weiblichen Spießers ist … nein, der Artikel gleitet in den dunklen Sumpf der Ernsthaftigkeit ab. Darum: Schluss mit Kristina "Rehbraten" Köhler!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül