die wahrheit: Neues aus Neuseeland
Einbürgerung mit Schokoloade.
Vor drei Wochen wurden wir neuseeländische Staatsbürger. Dass mir das so nahegehen würde, nach all dem elenden Papierkram - wer hätte das gedacht. Es war bewegend. Es war rührend. Es war ein Erlebnis, das sich nahtlos bei Einschulung, Führerschein, Trauung und Lottogewinn einreiht. Wo auf der Welt wird es einem so nett gemacht, wenn man den Doppelpass will?
133 Menschen bekamen ihren Sitzplatz in einem großen Saal zugewiesen und eine Broschüre in die Hand gedrückt. Aus der Liste darin entnahmen wir, dass wir Nr. 118, 119 und 120 waren und die einzigen Deutschen. Der Rest kam aus Samoa, Bahrain, Irak, England, Fidschi, Korea, Südafrika, Simbabwe, Kanada, China, Indien, Russland, Taiwan, Sri Lanka, Malaysia, Holland, Äthiopien, Schweden, Tonga, Singapur, Irland, Rumänien, Amerika und den Philippinen.
Gemeinsam sprachen wir den Eid auf das neue Vaterland und die englische Königin. Da der Spruch mit "So wahr mir Gott helfe" endet, gab es für die Nichtgläubigen das Ganze noch mal auf atheistisch. Dann trat eine Maori-Tanztruppe auf. Die sang sehr schön, auch wenn zwei Drittel der Darsteller schwer fettleibig waren. Nett, dass sie vor uns neuen Staatsbürgern auftraten und nicht vor Menschen, die noch um ihre Aufenthaltsgenehmigung kämpfen. Ein Bleibe-Visum bekommt man in Neuseeland nämlich nur, wenn man bei der Einwanderung einen Heidi-Klum-verdächtigen BMI hat. Dicke gibts wohl schon genug im Land.
Wir wurden wie damals bei der Abifeier einzeln mit Namen aufgerufen, und zwar fehlerfrei. Nr. 11 war Mr. Koneferenisioletasiivafituono Falemoe aus Samoa. Nr. 126 Mrs. Samaraweera Gamaralalage Anuja Thusari Samaraweera. Für diese Zungenbrecher bekam der Ansager Zwischenapplaus. Der Bürgermeister überreichte jedem von uns seine Urkunde, ein Foto wurde geknipst, und als Gruß aus der neuen Heimat gabs ein Bäumchen zum Einpflanzen. Da unser jüngstes Kind ein geborener Kiwi ist, aber mit auf die Bühne durfte, machte der Bürgermeister einen kleinen Scherz. "Made in New Zealand" sei der Junge, und dafür gabs zwei Täfelchen Schokolade mit dem Schriftzug "Christchurch". Wie reizend!
Immer und immer wieder betonte der Bürgermeister, wie glücklich er sei, dass wir Menschen aus den fernen Ländern jetzt hier seien. Er strahlte uns an. "Wir wollen feiern, was Sie aus ihren Kulturen mitbringen! Sie bereichern unsere Stadt und unser Land mit Ihrer Herkunft." Da ging uns das Herz auf. Ich blieb meiner Herkunft treu und wies einen Mitarbeiter der Stadtverwaltung darauf hin, dass das Datum auf den Broschüren falsch gedruckt war - nicht März 2009, sondern 2010 müsste es heißen. Das hatte ihm außer mir noch niemand gesagt. Ich machte meiner deutschen Besserwisserkultur alle Ehre.
Zum Schluss sangen wir die Nationalhymne auf Maori. Der Bürgermeister lud uns zu Schnittchen und Gebäck in den Nebensaal ein. Freunde schenkten uns einen Korb mit Marmite, Speights-Bier, Nivea-Creme und Tchibo-Kaffee. Ach, ich könnte es glatt noch mal machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Deutsche und das syrische Regime
In der Tiefe