die wahrheit: Die innere Galeere
Bankunwesen: Moderne Manager auf der Ruderbank ihrer Karriere.
"Wir sind nicht bei Ben Hur und sind keine Galeerensklaven!", empörte sich jüngst ein Banker der Hypo Real Estate, als die beliebten Boni von der fiesen Bankaufsicht Soffin in Frage gestellt wurden. Der "Topmanager" (Tagesspiegel) blieb ungenannt, vermutlich, weil er von aufgebrachten Bankgeschädigten nicht schanghait werden wollte.
Einen Bonus für seine Galeerensklaven-Metapher hätte unser vorsichtiger Manager schon einmal nicht verdient: Angekettete Sträflinge wie die Filmkomparsen bei Ben Hur hat es in der Antike vermutlich nie gegeben, sie sind ein Mythos wie der des rechtschaffenen Bankers heutzutage. In antiken Griechenland und sogar im dekadenten spätrömischen Reich wurden Freie als Schiffsbesatzung bevorzugt.
Doch inwieweit lässt sich die Arbeit des Galeerensklaven mit der des Bankers überhaupt vergleichen? Im 16. Jahrhundert wurden tatsächlich Sträflinge an die Ruderbank (Bank!) gekettet, der moderne Ruderknecht in der Bank wird eher durch Vergünstigungen an seine Bank geschmiedet. Die Haare der Galeerensklaven wurden abgeschnitten, gearbeitet wurde mit nacktem Oberkörper. Schlipse hätten sich in den Ketten verfangen können und waren Galeerensklaven wegen der Unfallgefahr von der Berufsgenossenschaft streng verboten. In Banken sind Schlipse dagegen obligat.
Kurzgeschorene Haare mag man allerdings heutzutage in manchen Filialen sichten, womöglich auch Tatoos. Früher war eher das Branding oder die Brandmarkung der Sklaven üblich. Die aufpeitschende Musik auf dem Walkman des Bankers war dem Galeerensklaven der laute Ton der vorantreibenden Trommel, das Peitschen erfolgte separat. Die Verurteilten blieben früher oft auf Lebenszeit an Bord, der moderne Bänker dagegen wechselt seine Ruderbank geschmeidig, je nachdem, was Bordküche und Kasse zu bieten haben. Die Arbeit der Galeerensklaven blieb im Gegensatz zum Banker unbezahlt.
Letztlich bleiben wenige Gemeinsamkeiten zwischen Sträfling und Banker, warum also vergleicht sich unser anonymer Banker ausgerechnet mit Galeerensklaven? Vielleicht ist es ein unbewusstes Sehnen nach Strafe und Sühne? Er ist jedoch nicht der Einzige, der den Galeeren-Vergleich bemüht, auch ein veritabler Regierungschef gesellt sich auf die Ruderbank: So klagte Wladimir Putin bei seinem Ausscheiden als Präsident: "Ich habe acht Jahre wie ein Galeerensklave geschuftet, von morgens bis abends." Eine provokante Behauptung. Man könnte meinen, der dunkle Despot habe im "Deutschen Institut für Provokative Therapie" seine Motivation als Regierungschef untersuchen lassen. Das "D.I.P." analysiert auf seiner Website provokativ.com die Motivation eines Galeerensklaven: "Ein Galeerensklave tut seine Arbeit, weil der Aufseher mit einer großen Peitsche hinter ihm steht und ihn nicht aus den Augen lässt, und es interessiert niemanden, ob er Lust hat zum Rudern oder nicht." Doch es gibt Hoffnung: "Die Zeit der Galeerensklaven neigt sich ihrem Ende zu." Na also!
Doch ehe diese Zeit vorbei ist, sollten auch Banker und Politiker eine Seite des Galeerensklaven sehen, die ihnen meist abgeht: "Selbst die Galeerensklaven haben ihren Stolz und ihr Ehrgefühl, sie haben den Stolz, gute Galeerensklaven zu sein und ,nun einmal zu zeigen', was sie können. Wenn das Auge des Kommandorufers, der mit der Peitsche die Reihen entlanggeht, wohlgefällig auf ihm ruht, so ist er beglückt, als hätte ihm ein Kaiser persönlich einen Orden an die Brust geheftet." Das schreibt B. Traven im "Totenschiff".
Weniger romantisch sieht Schopenhauer das Arbeitsfeld des Galeerensklaven. Als er im Hafen von Toulon Galeerensträflingen begegnete, schrieb er entsetzt: "Das Loos dieser Unglücklichen halte ich bey weiten schrecklicher wie Todesstrafen. Die Galeeren, die ich von außen gesehen habe, scheinen der schmutzigste, ekelhafteste Aufenthalt, der sich denken lässt. Das Lager der Sträflinge ist die Bank (!), an die sie gekettet sind. Ihre Nahrung bloß Wasser und Brod … während ihrer Slaverey werden sie ganz wie Lasthiere behandelt, es ist schrecklich?" Philosophisch folgert er: "Der Thor ist der schlafende, träumende Galeerensklav, der Weise der wachende, der seine Ketten sieht und ihr Klirren hört."
Und was würde er zu dem Wort des Bankers sagen: "Wir sind keine Galeerensklaven!"? Ganz sicher: "Banker sind allerdings keine Galeerensklaven. Aber die Idee gefällt mir!"
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