die wahrheit: So wählt man in der Dritten Welt
Es ist ein erhabenes Schauspiel, wenn die älteste Demokratie der Welt am Werk ist. Bei den britischen Wahlen am vorigen Donnerstag standen die Leute...
Es ist ein erhabenes Schauspiel, wenn die älteste Demokratie der Welt am Werk ist. Bei den britischen Wahlen am vorigen Donnerstag standen die Leute in mindestens 14 Wahlkreisen noch Schlange, als die Wahllokale um 22 Uhr schlossen. In einigen Fällen waren die Stimmzettel ausgegangen. Die Wahlleiter hatten offenbar nicht damit gerechnet, dass die blöden Wähler auch tatsächlich wählen würden. Manche versuchten sogar, sich ihr Wahlrecht mit der Faust zu erstreiten, sodass die Polizei gegen die aufgebrachten Prügeldemokraten einschreiten musste. Geoffrey Robertson, ein Anwalt für Menschenrechte, sagte, die verhinderten Wähler könnten pro Person genau 750 Pfund Schadensersatz verlangen. So viel ist also eine britische Wahlstimme wert.
Der BBC-Veteran David Dimbleby, der die Wahlsendung elf Stunden lang moderierte, fand das ziemlich unbritisch: "Ja sind wir denn hier in einem Drittweltland?" Elf offizielle Wahlbeobachter aus Drittweltländern verbaten sich diesen Vergleich. In einer gemeinsamen Erklärung sagten sie, das britische Wahlsystem sei missbrauchsanfällig, weil es vor allem auf Vertrauen beruhe. So etwas habe vielleicht mal in der Vergangenheit funktioniert, aber heutzutage? Innocent Chukwuma aus Nigeria sagte: "Keine Demokratie, wie alt auch immer, ist unfehlbar." Ababu Namwamba aus Kenia stimmte zu: "Vielleicht ist das Wahlsystem nicht korrupt, aber Teile davon sind korrumpierbar." So wurde nur in den wenigsten Fällen die Identität der Wähler überprüft. "Man vertraut darauf, dass die Leute keine falschen Namen angeben", staunten die Wahlbeobachter.
Alfie McKenzie aus Pulton in Lancashire hat das ausgenutzt. Er spazierte ins Wahlbüro, ließ sich einen Stimmzettel aushändigen, machte sein Kreuzchen und versenkte den Zettel in der Urne. So weit, so normal. Aber Alfie ist erst 14 und sieht keinen Tag älter aus. Die Polizei ließ ihn laufen, weil er das Wahlergebnis nicht beeinflusst habe. Der Sitz ging mit deutlicher Mehrheit an die Tories. Alfies Mutter sagte, ihr Sohn liebe nun mal Politik. Bei einer Probewahl in seiner Schule habe er einen der Kandidaten gemimt und wollte nun auch bei der echten Wahl mitmischen. Bei den Kommunalwahlen in Great Yarmouth in der Grafschaft Norfolk haben sie die Sache auf andere Art entschieden. Weil nach zweimaliger Auszählung der Stimmzettel der Labour-Kandidat Charlie Marsden und Bob Peck von den Tories mit jeweils 1.034 Stimmen gleichauf lagen, zog der Wahlleiter ein Päckchen Spielkarten aus der Tasche. Er forderte die beiden Kandidaten auf, eine Karte zu ziehen: Gewinner sei derjenige mit der höheren Karte. Peck zog eine Drei, sein Rivale eine Sieben. So ging der Sitz an Labour. "Es war ein Albtraum", sagte der Tory-Ortsgruppenleiter.
Wäre das nicht eine gute Methode, um zu bestimmen, wer Premierminister wird? Man könnte sich das ganze Wahlbrimborium sparen, und nach dem Gesetz des Zufalls kämen Labour und Tories ebenso oft an die Macht wie beim bisherigen System. Die Queen könnte die Karten mischen.
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