die wahrheit: Schwabinger Krawall: Ein gottloser Sud
Vor Jahren ist Herr Reithofer vom Biergarten heimgekommen und hat seiner Frau stolz einen Strauß Maiglöckchenblätter überreicht, von denen er so vehement behauptet hat, ...
... es handle sich um Bärlauch, dass sie ihn nur davon abhalten konnte, sich zu vergiften, indem sie aus Knoblauch, Tiefkühlspinat und Öl einen Brei gequirlt hat, den sie ihm als Bärlauchpesto serviert hat. Die fürchterlichen Blähungen, unter denen er die nächsten Tage lautstark litt, haben seine Begeisterung für Selbstversorgung stark gedämpft.
Umso unerfreuter ist sie, als er beschließt, wenn schon ihr unausstehlicher Bruder aus dem Ruhrgebiet im Mai zu Besuch komme, gebiete es der Anstand, ihm einen Waldmeisterwein zu servieren, schon weil er keine Lust habe, sich noch einmal die Belehrungen des Stinkstiefels über die qualitative Überlegenheit preußischer Biere anzuhören.
Waldmeister wachse am Lerchenauer See in Massen, zumal bei diesem schönen Frühlingswetter, sagt er und fährt los. Frau Reithofer blickt aus dem Fenster in den soeben einsetzenden Starkregen und fragt sich, ob sie ihren Bruder wieder ausladen soll, was ihr aber zu peinlich ist.
Nach zwei Stunden kehrt ihr Mann zurück, bis auf die Haut nass und schlotternd vor Kälte, und überreicht ihr eine Tüte voller Grünzeug, das sie als ordinäres Kletten-Labkraut identifiziert, wie es auf jeder Müllkippe wächst. Aus dem Zeug, sagt sie, könne sie ihm höchstens eine Suppe kochen, deren harntreibende Wirkung ihre Großtante Edeltraut sehr geschätzt habe. Sie halte sich da besser heraus, sagt Herr Reithofer, stopft das Kraut in eine Kanne, übergießt es mit Riesling und stellt die Mixtur zum Ziehen ans Fenster.
Als Frau Reithofers Bruder zwei Tage später eintrifft, liegt Herr Reithofer mit einem schweren Katarrh im Bett, lässt sich jedoch nicht abhalten, aufzustehen, um dem Schwager eigenhändig ein Glas traditionelle bayerische Maibowle zu reichen. Triumphierend trägt er die Kanne ins Wohnzimmer, hebt den Deckel und sieht fassungslos zu, wie eine Armada daumennagelgroßer Käfer aus dem Gefäß krabbelt und über den Tisch ausschwärmt.
Den fauligen Gestank, den die bräunlich schäumende Brühe freisetzt, bemerkt er aufgrund seiner verschnupften Nase nur daran, dass der Schwager schreiend aufs Klo flüchtet und eine halbe Stunde lang heftige Würgegeräusche ausstößt, um dann stante pede wieder abzureisen, worüber Herr Reithofer im Grunde recht zufrieden ist. Nachdem er die Käfer vom Teppich geklaubt hat, möchte er die "Bowle" entsorgen, aber seine Frau verbietet ihm, das in der Toilette zu tun. Da er wegen seiner Erkältung das Haus nicht verlassen will, bleibt Herrn Reithofer nur der Balkon.
Zwei Minuten später hört er im Treppenhaus die alte Frau Reibeis plärren, der Weltuntergang stehe bevor, weil Gott fauligen Sud vom Himmel regnen lasse, und sie habe immer gewusst, dass das eines Tages passieren werde. Herr Reithofer verspürt einen plötzlichen Fieberschub und zieht sich die Decke über die Ohren, während seine Frau das Sturmklingeln an der Tür verbissen ignoriert.
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