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die wahrheitNeues aus Neuseeland: Ode an die Flugzeugkost

Das Leben in den Antipoden bringt viel Schönes mit sich, zum Beispiel Hokey-Pokey-Eis mit Karamellstücken und staatlich sanktioniertes wildes Zelten am Strand, aber auch einiges Schreckliches: Flugreisen zum Beispiel.

Das Leben in den Antipoden bringt viel Schönes mit sich, zum Beispiel Hokey-Pokey-Eis mit Karamellstücken und staatlich sanktioniertes wildes Zelten am Strand, aber auch einiges Schreckliches: Flugreisen zum Beispiel. Wann immer man die Grenzen Aotearoas verlässt und keine Bootsfahrt plant, sitzt man unweigerlich in der Luft. Und das nicht zu knapp. 25 Stunden sind es gut und gern bis Europa, aber gefühlte 50. Das sind, auch für jemanden ohne jede Flugangst, 20 Stunden zu viel.

Meine Kinder klingen wie verzogene Jetset-Gören, wenn sie mit ihren Freunden darüber fachsimpeln, ob man auf dem Weg nach Frankfurt besser in Singapur umsteigt, weil man da kurz im Terminal C schwimmen gehen kann, oder in Hongkong, wo es drei Stunden lang Playstation satt gibt. Dubai? Geschenkt. Los Angeles geht gar nicht, da sind wir uns alle einig. Die Sicherheitskontrollen dort kommen einer gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung immer näher. Mir reicht die Mammographie einmal im Jahr.

Wie tief das Rund-um-die-Uhr-Eingesperrtsein in Körper und Seele eingreift, zeigt sich am deutlichsten an der Reaktion auf Flugzeugkost. Unter normalen Umständen würde er die in der Economy Class kredenzte Nahrung amüsiert bis misstrauisch betrachten, wenn nicht gar verweigern. Ein Häufchen pseudoethnischer Pamp aus der Mikrowelle, ein viel zu kalter Minisalat, das obligatorische Pappbrötchen, abgepackter Gummikäse und ein wabbeliges Törtchen für den kariösen Zahn - welch ein kulinarisches Sammelsurium!

Seltsamerweise ist es aber auf diesen Langstreckenflügen so, dass die Mahlzeiten das einzige Highlight in all der sauerstoffarmen, zähen Trostlosigkeit sind. Das sagt doch alles über die Foltermethoden der Fluggesellschaften. Schreckliches wird erträglich, Halbsoschreckliches wunderbar - verzerrte Wahrnehmung durch rasante Abstumpfung. Nach zwei Bordfilmen und einer Nacht im Sitzen, wenn sich die erste Thrombose anbahnt, klingt nichts so herrlich wie das leise Scheppern des Essen- und Getränkewagens, der im Gang immer näher rollt. Und dieser Duft!

Neidisch schaue ich auf die zwei Rucksacktouristinnen, die vorab "vegetarisch" bestellt haben und jetzt vor allen anderen bedient werden. Und immer, immer bin ich mir sicher, das Falsche gewählt zu haben. Rind mit Gemüse oder Huhn asiatisch - es ist und bleibt die einzig wichtige Entscheidung der nächsten 24 Stunden. Wann habe ich jemals mit so viel Wonne ein Päckchen Butter aufgepult? Die gute Neuseeland-Butter, ach! Im Gefängnis muss es ähnlich sein. Man erfreut sich an den kleinen, vertrauten Dingen.

Wenn der Schmerz nachlässt, wird das Trauma mit Hilfe von www.airlinemeals.net verarbeitet. Betroffenen rate ich, sich auf der Webseite die Plastiktablett-Variationen osteuropäischer Fluglinien anzuschauen. Ein Passagier auf dem Air-Via-Flug von Bulgarien stellte fest, dass seine Henkersmahlzeit deutlich besser aussah als der Zustand der Tupelew, in der er saß. Über den Wolken, da muss der Hunger wohl grenzenlos sein.

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4 Kommentare

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  • D
    DasSan

    @tystie:

    Ihnen ist schon klar, dass die autorin nicht aus jux und dollerei zwischen europa und neuseeland hin und her fliegt, sondern in neuseeland wohnt? Und ab und zu möchte sie vielleicht auch ihre familie besuchen?

    Wobei solche langstreckenflüge auf mich tatsächlich durchaus abschreckend wirken, was reisen nach übersee betrifft...

  • MR
    Martin Reifer

    Link senden ist eine reine Katastrophe. Funktioniert gar nix! Ist da jemand der dies reparieren kann?

  • PE
    Peter Eich

    Auf solchen Langstreckenflügen (und nur dort) nehme ich stets zwei Schlaftabletten und schenke mir die Warterei.

  • T
    tystie

    Nette Anmerkungen zu Belanglosigkeiten. Weit interessanter wären Angaben darüber, wie viel verbranntes Flugbenzin auf jede/n Reisende/n entfallen, ob ausgewachsen oder Kind. Für die Hin- und Rückreise tippe ich auf rund 700 Liter pro Kopf. Daraus lassen sich sehr viel klimaschädliche Abgase produzieren, in optimaler Höhe in die Atmosphäre eingeblasen.

    Geradezu grotesk, wenn Leute nach einer solchen Luxusreise auf Neuseeland, einer Inselgruppe, auf der Europäer während der Kolonialzeit beispiellose ökologische Schäden verursacht haben (z. B. durch Niederbrennen von riesigen Waldflächen, durch hemmungsloses Abholzen von Nutzhölzern, 52% der Landesfläche sind heute Weideland) sich als Ökoromantiker zu Fuß bewegen.

    Wichtiger als die Butter sind dort Sonnenhut, Sonnencreme und Sonnenbrille, denn die UV-Strahlung schlägt alles, auch bei scheinbar harmlosem Wetter. Über 300 Hautkrebstote (bei 4,2 Mio. Gesamtbevölkerung) jährlich sprechen für sich.

    Die Hype über NZ nährt sich hauptsächlich aus der Ignoranz der Reisenden. Aber jeder und jede kann dazulernen. ;-)