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die wahrheitWeltmanns Ansichten

Die Weisheit der Wellen.

Windpocken, Mumps und Meutereien, die im Verborgenen gären, die Welt der Meere steckt voller Abenteuer. Ich kenne einen Zahnarzt in Minden, der kann das Geräusch von Meeressäugern nachmachen, wenn sie Softball spielen. Auch sonst finden sich im Meer viele Tiere, die merkwürdige Laute von sich geben (Stotterlachs, Murmelhai, selbstreferenzieller Seetang für hörgestörte Heringe). Gleichzeitig aber gilt: Selbst jemand, der ein geübtes Gehör besitzt, wird den Gesang von Walen nicht hören können, wenn er nicht weiß, was ein Wal ist.

Wer sich entschließt, Seekarten zum Verpacken von Schiffszwieback zu benutzen, wird auf der Nord-West-Passage längere Zeit gut zu essen haben, dafür aber schnell die Orientierung verlieren und viel Zeit für das Bestimmen von Längengraden mit Hilfe der Monddistanzmethode verlieren. Das Leben ist eben immer unterschiedlich kompliziert. Da hilft es nur wenig, wenn es auch noch unübersichtlich ist.

Es ist schwierig mit einer Welle befreundet zu sein, wenn man nur den Hündchen-Stil beherrscht. Der Berg ist dagegen ein guter Bekannter, wenn du eine Bergziege bist. Schlimmer ist es jedoch, als Alm-Kuh zu erwachen und bei jeder Bewegung dem Läuten der Glocke, die man um den Hals trägt, ausgesetzt zu sein. So mancher wünschte sich dann wohl, ein hörgestörter Hering in Gegenwart von selbstreferenziellem Seetang zu sein.

"Der Berg ist existenziell, das Meer ist elementar", kündete einst das Buch Mose. "Der Mensch ist meist so oder so. Aber nicht jeder mag rohen Aal mit getrocknetem Fischdarm", ergänzte der Meeresphilosoph Karl Popper später mit dem einzigen Eintrag in seinen "Lethargischen Tagebüchern". Vertraut man Humboldts "Großem Kosmos der Volksmusik", ist das Leben im Refrain eines Shanties etwas, das keine großen Herausforderungen an Flexibilität stellt. Das gilt auch dann, wenn der Shantie außerordentlich schlecht gesungen wird. Es ist aber nicht einfach, eine tiefgefrorene Alm-Kuh mit nach Spanien zu nehmen, wie eine alte Wikingerweise bezeugt. Eine Situation hängt eben immer von ihrer Situation ab.

Ist ein Schiffsmodell in Originalgröße noch ein Modell oder ein Schiff? Und was ändert sich, wenn das Modell nicht aus Streichholzschachteln, sondern aus Zahnstochern erbaut wurde? Alles ist ein Unterschied zu etwas ganz anderem. Einen Plattfisch kann man nicht Taube nennen. Diese Erkenntnis gilt auch für Streichholzschachteln, Zahnstocher oder das dünne Häutchen, das Quallen umgibt.

"Das Meer ist weit", bekannte Leibniz einst im Briefwechsel mit Newton. Ich lebe auf einem Schiff im weiten Meer, und jeder Tag ist zu kurz für das, was ich tun will. Da hilft auch die Erkenntnis eines Aristoteles nur wenig, wenn er sagt: "Erst die Enge des Meeres lässt dich genügend Jachten haben." Tatsächlich ist das Ganze ein ohne Sinn gefülltes Nichts. Trotzdem möchte man jedoch immer dabei sein, wenn irgendetwas Wichtiges passiert. Bei Scharlach, Masern oder dem Gesang des Wales, den man nur hören kann, wenn man auch weiß, dass es ihn gibt.

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