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die wahrheitSchleichfahrt durch den Bibelgürtel

Frank deutete auf die weiten, sonnigen Felder Iowas und sagte: "Flyover country." Der Mittlere Westen der USA. Mais, rot-weiße Farmen, Kühe...

... Getreidesilos, Windmühlen, Mais. Wir fuhren auf der Interstate 80 nach Westen. Mit fünfundsechzig Meilen pro Stunde - Höchstgeschwindigkeit. Frank hatte man geschickt, um mich für meine Lesung am Grinnell College abzuholen, eine kleine Privatuni, an der einer der beiden Erfinder von Intel studiert hat. Frank war ein großer, schlaksiger Mann Anfang sechzig.

Raue Hände, lichtes Haar, ehrliches Lachen. So stellt man sich einen liebevollen Opa vor. Auf den ersten Metern tauschten wir Höflichkeitsfragen aus: Where are you from? How long have you been here? Do you like the food? Im Radio kam ein Bericht über die anstehenden Kongresswahlen. Frank schimpfte auf Obama. Er habe ihn zwar gewählt, aber nicht dafür. "What do you mean?", wollte ich wissen. Er meinte: "Socialism." Und entschuldigte sich. Dass die Dinge in Europa, besonders in Deutschland, anders liefen, wisse er. Aber Amerika sei nun mal Amerika.

"Im a Believer", sagte Frank. Es klang wie "Im sorry." Die Evolutionstheorie hielt er für Mumpitz. Seine Erklärung: Aus winzigen Metallstückchen in der Erde wurden von einem höheren Wesen, dem Menschen, hochkomplizierte Maschinen gemacht. Das müsse man sich mal vorstellen! Da konnte es doch kaum sein, dass aus Affen durch bloßen Zufall Menschen entstanden waren. Gewiss hatte da auch ein höheres Wesen die Finger im Spiel gehabt. Nämlich Gott.

Die Tatsache, dass er Biologielehrer war, erläuterte mir Frank erst danach. Im Unterricht erwähne er Darwin natürlich. Aber die Kinder sollten sich ihre eigene Meinung bilden. "This is a free country!", scherzte er und gab ein Raucherlachen zum Besten.

Soeben passierten wir eine Kolonie der Amischen. Frank schüttelte den Kopf: "Crazy people!" Ich fragte ihn, was für eine Art "Believer" er sei. Er habe sich für den Katholizismus entschieden, sagte er, als würde er von einem Autokauf erzählen. Allerdings sei er nicht sonderlich zufrieden. Frank hielt wenig davon, nur durch einen Priester mit Gott sprechen zu können. Er wollte mit seinem Schöpfer direkt in Kontakt treten, ohne Zwischeninstanz. Und das Zölibat, fügte er hinzu, sollte ebenfalls abgeschafft werden.

Nach einigen Sekunden Stille wagte ich schließlich ein "Why?" Frank stieß mir mit dem Ellbogen in die Rippen. "Wanna hear my theory?" Ich musterte ihn aus den Augenwinkeln und war mir nicht ganz sicher, ob ich sie wirklich hören wollte. "Well", begann er und sprach dann mit gesenkter Stimme weiter: Ein Mann, der keine Frau hat, der mit ihr kein Bett teilt, der nie ihre Liebe spürt, wird früher oder später selbstverständlich schwul. Da könne man getrost jeden fragen, der lange genug im Knast gesessen hat. Aber, hey, das sei ja bloß die Spitze des Eisbergs! Man müsse nur mal den Fernseher einschalten. Diese ganzen homosexuellen Priester würden schließlich auch dauernd kleine Jungs missbrauchen.

Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend.

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