die wahrheit: Michel und Michaela
Gemeinschaftskunde: Vom Wutbürger zum Mutbürger. Ein Glossar.
Dankenswerterweise hat die grüne Staatsfrau Katrin Göring-Eckardt in ihrer Eigenschaft als Präsidentin des Evangelischen Kirchentags in Dresden auf die jüngste Wandlung im Wesen des deutschen Michels und der deutschen Michaela hingewiesen: "Aus dem Wutbürger ist ein Mutbürger geworden." Was aber soll nun wiederum aus dem Mutbürger werden? Muss nicht auch der vom Wut- zum Mutbürger mutierte Mitmensch noch viele Metamorphosen durchlaufen, bevor ihm das Himmelreich offensteht? Ist die Anzahl der Gestalten, die er annehmen kann, begrenzt? Oder dürfen wir uns auf eine vielfältige Attributbürgergesellschaft freuen? Ersten demoskopischen Erhebungen zufolge zeichnen sich bereits mehr als 30 neue Seinszustände des trendbewussten Bürgertums ab.
Almutbürger: Siehe Anmutbürger.
Anmutbürger: Siehe Armutbürger.
Armutbürger: Siehe Demutbürger.
Blutbürger: Ungeachtet der martialisch wirkenden Bezeichnung sind damit Bürger gemeint, die ihre Nächstenliebe durch Blutspenden unter Beweis stellen.
Brutbürger: Ein umstrittener, vermutlich von Nachbarn ungewöhnlich kinderreicher Familien kreierter Begriff, der seit einiger Zeit auch in Jugendämtern im Schwange sein soll und einer positiven Neubewertung durch familienministerielle Stellen harrt.
Demutbürger: Siehe Heldenmutbürger.
Flutbürger: Notgemeinschaft naturkatastrophengeschädigter Hauseigentümer, die zu nah am Wasser gebaut haben.
Futbürger: Althochdeutsch für Bärchenkucker.
Glutbürger: Umzingeln in der Winterzeit in No-go-Areas Blechtonnen mit Brennmaterial.
Gutbürger: Alkoholabstinente Nichtraucher, die auch für Andersdenkende bremsen.
Heldenmutbürger: Siehe Helmutbürger.
Helmutbürger: Siehe Hochmutbürger.
Hochmutbürger: Siehe Kleinmutbürger.
Hutbürger: Udo Lindenberg.
Kleinmutbürger: Siehe Mammutbürger.
Knutbürger: Neuhochdeutsch für Eisbärchenkucker.
Luxusgutbürger: Karl-Theodor zu Guttenberg.
Mammutbürger: Siehe Sanftmutbürger.
Max-Planck-Institut-Bürger: Jürgen Habermas.
Nutbürger: Sind im Obi-Baumarkt oder bei Hornbach anzutreffen.
Salutbürger: Haben nicht nur das Privatfernsehen begrüßenswert gefunden, sondern auch die neuen Bundesländer, die neuen Postleitzahlen, die neue Rechtschreibung, den Euro und die Kabäuschen mit den Telefonhörern in nuttigem Nagellackpink.
Sanftmutbürger: Siehe Todesmutbürger.
Schnutbürger: Haben nicht nur bei der Demontage des öffentlich-rechtlichen Sendemonopols eine "Schnute" gezogen, sondern auch bei der Abschaffung der alten Bundesrepublik, der alten Postleitzahlen, der alten Rechtschreibung, der D-Mark und der gelben Telefonzellen.
Schutbürger: Haben zu viel Karl May gelesen.
Sudbürger: Schmoren als ökologisch bewusste Selbstversorger im eigenen Saft.
Todesmutbürger: Siehe Übermutbürger.
Tunichtgutbürger: Kater Karlo.
Tut-tut-Bürger: Werden vom ADAC vertreten.
Übermutbürger: Siehe Unmutbürger.
Unmutbürger: Siehe Wehmutbürger.
Wehmutbürger: Anders als die Anmutbürger, Armutbürger, Demutbürger, Heldenmutbürger, Helmutbürger, Hochmutbürger, Kleinmutbürger, Mammutbürger, Sanftmutbürger, Todesmutbürger, Übermutbürger und Unmutbürger geben die Wehmutbürger der Wehmut den Vorzug vor dem Unmut, dem Übermut, dem Todesmut, der Sanftmut, dem Mammut, dem Kleinmut, dem Hochmut, dem Helmut, dem Heldenmut, der Demut, der Armut, der Anmut und der Almut. Darf auf gar keinen Fall verwechselt werden mit:
Wermutbürger: Haben aus alledem die richtigen Konsequenzen gezogen.
Zuckerhutbürger: Schwachsinnsbegriff zur alphabetischen Vervollständigung des Gesellschaftsschichtenmodells à la manière de la Katrin Göring-Eckardt.
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